Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch. Betriebsübergang. Kündigung. schwebende Unwirksamkeit
Leitsatz (amtlich)
Kündigt der bisherige Betriebsinhaber nach Betriebsübergang gegenüber einem übergegangenen Arbeitnehmer und widerspricht der Arbeitnehmer danach dem stattgefundenen Betriebsübergang, so bestand zum Kündigungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Kündigendem. Die zum Kündigungszeitpunkt gegebenen Umstände (Betriebsgröße, Existenz eines Betriebsrats, Stilllegungsabsicht) sind der Prüfung der Wirksamkeit zu Grunde zu legen.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5; KSchG §§ 1, 23
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 08.12.2009; Aktenzeichen 4 Ca 2077/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.12.2009 – 4 Ca 2077/09 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung vom 20.04.2009 des Beklagten zu 1. sowie um die Frage, ob die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, die Klägerin nach einem Betriebsübergang weiter zu beschäftigen.
Die am 26.12.1968 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin war seit dem 01.07.1999 als Verkaufsabteilungsleiterin im Betrieb A der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Gegenstand des Unternehmens der Gemeinschuldnerin war der Einzelhandel mit Bekleidung. Das Unternehmen führte deutschlandweit 39 Filialen. In dem Betrieb A waren vor der Insolvenzeröffnung am 01.10.2008 elf Mitarbeiter beschäftigt. Es war ein Betriebsrat gewählt worden.
Am 01.10.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Zuvor waren mit dem örtlichen Betriebsrat und dem Gesamtbetriebsrat gleichlautende Interessenausgleiche und Sozialpläne zustande gekommen. Diese sahen u. a. die Einrichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft vor. Aus dem Betrieb A wechselten neun Mitarbeiter vor dem 01.10.2008, also vor der Insolvenzeröffnung, in diese Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Die Klägerin und eine weitere Mitarbeiterin befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Elternzeit. Beide wechselten nicht in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft.
Der Beklagte zu 1. hat vorgetragen, er habe Anfang Oktober 2008 wegen der Ungewissheit, ob eine Betriebsübernahme stattfinden könne, entschieden, dass sämtliche Betriebe jedenfalls zum 31.01.2009 geschlossen werden sollten.
Am 10.10.2008 hörte der Beklagte zu 1. die Betriebsratsvorsitzende des A Betriebs zur Kündigung der zwei verbliebenen Mitarbeiter an. Am 16.10.2008 schloss der Beklagte zu 1. mit dem Gesamtbetriebsrat einen weiteren Interessenausgleich mit Namensliste, der sämtliche Mitarbeiter enthielt, die nicht in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft übergegangen waren. Auf dieser Namensliste befand sich auch der Name der Klägerin.
Seit etwa Ende Oktober/Anfang November 2008 führt die Beklagte zu 2. die Filiale in A weiter. Sie benutzt hierzu die bisherigen Betriebsräumlichkeiten, das bisherige Inventar sowie den in der Filiale vorhandenen Warenbestand weiter. Ferner hat sie das Sortiment unverändert gelassen, welches aus ca. 60 % Eigenmarken und 40 % Fremdmarken (z. B. G, E) besteht. Als Mitarbeiter setzt die Beklagte zu 2. die von der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft angestellten Mitarbeiter leihweise ein.
Wegen der Elternzeit der Klägerin beantragte der Beklagte zu 1. die Zustimmung der Bezirksregierung zur Kündigung und erhielt diese durch Bescheid vom 14.04.2009. Am 20.04.2009 sprach der Beklagte zu 1. Hier streitgegenständliche Kündigung der Klägerin zum 31.07.2009 aus. Diese Kündigung ist der Klägerin am 21. oder 22.04.2009 zugegangen. Sie erhob am 11.05.2009 Kündigungsschutzklage.
Am 01.04.2009 wurde veröffentlicht, dass das Insolvenzverfahren massearm ist. Am 21.10.2009, im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens widersprachen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten einem möglichen Betriebsübergang.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat sich der Beklagte zu 1. gegen die Klage damit verteidigt, der Betrieb in A habe bei Zugang der Kündigung am 21. oder 22.04.2009 lediglich noch zwei Arbeitnehmer beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht mehr anwendbar.
Die Klägerin hat beantragt,
- es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 20.04.2009 nicht beendet wird.
- im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird der Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkaufsabteilungsleiterin weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte zu 1. hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen, da es sich bei der Filiale in Alsdorf um einen eigenständigen Betrieb handele, der zum Kündigungszeitpunkt dauerhaft weniger als zehn Arbeitnehmer im Sinne von § 23 KSchG beschäftige. Da d...