Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung. unkündbarer Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
1) Eine Kündigung wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten kommt regelmäßig nur als ordentliche Kündigung in Betracht (BAG DB 2002, 100 ff.; BAG NZA 1993, 598 ff.).
2) Der Durchschnittsfall einer solchen ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung rechtfertigt auch dann keine außerordentliche Kündigung, wenn die ordentliche Kündigung bei dem betroffenen Arbeitnehmer tariflich oder vertraglich ausgeschlossen ist und die außerordentliche Kündigung mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist verbunden wird.
3) Eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung kommt vielmehr nur in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen in Betracht. Dazu muss das nach der Zukunftsprognose zu erwartende Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung so krass sein, dass nur noch von einem „sinnentleerten” Arbeitsverhältnis gesprochen werden kann (BAG a.a.O.).
Normenkette
MTArb § 59; KSchG § 1; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 21.11.2001; Aktenzeichen 5 Ca 1837/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.11.2001 in Sachen 5 Ca 1837/01 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und der Gründe, die das Arbeitsgericht Bonn dazu bewogen haben, der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 21.11.2001 Bezug genommen. Wegen des Umfangs der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1983 bis zum Ausspruch der Kündigung wird auf die Aufstellung der Beklagten im Kündigungsschreiben vom 06.06.2001 Bezug genommen (Bl. 12 f. d. A.).
Das Urteil des ersten Rechtszuges wurde der Beklagten am 27.03.2002 zugestellt. Sie hat hiergegen am 25.04.2002 Berufung eingelegt und diese am 22.05.2002 begründet.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beanstandet, dass sie erstinstanzlich nicht ausreichend Gelegenheit erhalten habe, zu dem vorübergehenden Einsatz der Klägerin in der sog. Tagesklinik Stellung zu nehmen. Die Klägerin sei dort nämlich nur vertretungsweise in der Zeit vom 29.10. bis 12.011.2001 eingesetzt worden. In der Essensverteilung seien dort nur Arbeiten im Umfang von ca. vier Stunden täglich angefallen. Um den Arbeitsplatz mit Tätigkeiten für eine Vollzeitkraft aufzufüllen, habe die frühere Arbeitsplatzinhaberin dementsprechend auch neben Putzarbeiten täglich Arbeiten in der Bettenzentrale verrichten müssen. Für diese Tätigkeiten habe die Klägerin auf Grund ihrer mangelnden körperlichen Eignung nicht eingesetzt werden können. Alles in allem sei der Arbeitsplatz in der Tagesklinik somit keineswegs körperlich weniger belastend gewesen als der Stammarbeitsplatz der Klägerin in der neurochirurgischen Klinik. Dies habe das Arbeitsgericht verkannt und daher zu Unrecht auf die Möglichkeit abgestellt, dass bei einem Einsatz der Klägerin in der Tagesklinik geringere krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten seien.
Wie die Beklagte darüber hinaus, von der Klägerin unwidersprochen, vorgetragen hat, ist der Arbeitsplatz der Essensverteilung in der Tagesklinik nach dem zwischenzeitlichen Ausscheiden der früheren regulären Arbeitsplatzinhaberin umorganisiert und an eine Fremdfirma vergeben worden, und zwar in der Weise, dass lediglich während der Essenszeiten von 7:00 – 9:00 Uhr und 11:00 – 13:00 Uhr jeweils ein Leiharbeitnehmer eingesetzt werde.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass alle Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung der Klägerin erfüllt seien.
Sie beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.11.2001 (Aktenzeichen 5 Ca 1837/01) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte hat die Klägerin über die ihr eingeräumte Auslauffrist des Arbeitsverhältnisses hinaus vorläufig weiterbeschäftigt. Die Klägerin hat vom 12.09. bis 10.10.2001 eine stationäre Kurmaßnahme absolviert. In der Zeit ab Beendigung der Kur, aus welcher die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts (Bl. 84 d. A.) als „gebessert” und „sofort arbeitsfähig” entlassen worden war, bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 04.09.2002 haben sich ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten wie folgt entwickelt:
19. bis 25.11.2001; 14.01.2002; 21.01. bis 25.01.2002; 11. bis 15.03.2002; 30.03 bis 28.04.2002.
Zuletzt ist die Klägerin auf Station 3 der neurochirurgischen Klink eingesetzt worden.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG a. F. statthaft und wurde auch gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG a. F. fr...