Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer. Hebamme. Änderungskündigung. unternehmerische Organisationsentscheidung. Beleghebammensystem. Betriebsrisiko
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitgeber, der mit seinen Arbeitnehmern die Geltung eines Regelwerks vereinbart, das unter bestimmten Voraussetzungen die ordentliche Unkündbarkeit der Arbeitsverhältnisse eintreten lässt, übernimmt freiwillig ein erhöhtes Betriebsrisiko, aus dem er nur aus zwingenden Gründen wieder entlassen werden kann. Lediglich „dringende betriebliche Erfordernisse”, wie sie in § 1 Abs. 2 KSchG angesprochen sind, reichen hierfür nicht aus.
2. Diese vom Arbeitgeber eingegangene Selbstbindung ist schon dann zu beachten, wenn er unternehmerische Entscheidungen über die zukünftige Arbeitsorganisation trifft.
3. Die unternehmerische Organisationsentscheidung eines Krankenhausträgers, künftig keine festangestellten Hebammen mehr zu beschäftigen, sondern stattdessen ein Belegsystem mit freiberuflich tätigen Hebammen einzuführen, zielt darauf ab, die weiterhin benötigte Arbeitsleistung von Hebammen kostengünstiger einzukaufen und das Betriebsrisiko einer etwaigen nicht hinreichenden Auslastung auf die freien Mitarbeiterinnen zu verlagern. Es ist dem Arbeitgeber grundsätzlich zumutbar, gegenüber einer ordentlich unkündbaren Arbeitnehmerin die Umsetzung dieser Organisationsentscheidung solange zurückzustellen, bis sich die Möglichkeit eröffnet, die Mitarbeiterin auf einem anderen für sie geeigneten, eingruppierungsrechtlich gleichwertigen Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen.
4. Eine examinierte Hebamme kann grundsätzlich auch auf einem freien Arbeitsplatz in der Wöchnerinnen oder Neugeborenenstation beschäftigt werden.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 626; HebammenG §§ 1, 4, 8; Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger NRW §§ 2-3; AVR §§ 14-15; BAT §§ 54-55
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 02.10.2007; Aktenzeichen 14 Ca 462/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.10.2007 in Sachen 14 Ca 462/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Änderungskündigung, zu deren Rechtfertigung sich die Arbeitgeberin auf § 15 Abs. 2 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) beruft.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 14. Kammer des Arbeitsgerichts Köln bewogen haben, der Änderungsschutzklage stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 02.10.2007 Bezug genommen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Beklagten am 16.01.2008 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 31.01.2008 Berufung einlegen und diese am 14.03.2008 begründen lassen.
Die Beklagte widerspricht der Feststellung des Arbeitsgerichts, dass die Klägerin durch Umsetzung auf einen gleichwertigen freien Arbeitsplatz in der Wöchnerinnenstation bzw. dem Kinderzimmer hätte weiterbeschäftigt werden können.
Die Beklagte wiederholt ihre Behauptung, die Klägerin sei als ausgebildete Hebamme fachlich nicht geeignet, eine Tätigkeit auf der Wöchnerinnenstation und/oder der Neugeborenenstation (dem sog. Kinderzimmer) auszuüben. Die Beklagte zählt auf S. 2 bis 7 ihrer Berufungsbegründung vom 14.03.2008 eine Fülle von Aufgaben und Anforderungen einer Kinderkrankenschwester auf der Entbindungsstation sowie der Neugeborenenabteilung auf, die von einer Hebamme nicht erfüllt werden könnten und dürften. Auf die Einzelheiten der entsprechenden Aufzählung wird ausdrücklich Bezug genommen.
Weiter behauptet die Beklagte, selbst wenn die Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung und bisherigen Tätigkeit als Hebamme fachlich geeignet wäre, die Tätigkeiten auf der Wochenstation und/oder im Kinderzimmer auszuüben, käme ein solcher Einsatz deshalb nicht in Betracht, weil dort keine Arbeitsplätze „frei” gewesen seien oder durch eine zumutbare Umorganisation hätten frei gemacht werden können. Sie beruft sich hierzu auf ihre Darstellung im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 03.08.2007. Sie wiederholt in der Berufungsbegründung ausdrücklich ihre Behauptung, ihre Station sei mit den Mitarbeiterinnen B., G. sowie K. besetzt. Bei diesen Mitarbeiterinnen handele es sich ausnahmslos um Kinderkrankenschwestern, die schwerbehindert und unkündbar seien.
Auch könnten die auf der Wochenstation bzw. dem Kinderzimmer beschäftigten Kinderkrankenschwestern nicht ohne eine Umschulungsdauer von 1 ½ Jahren in anderen Abteilungen des Krankenhauses eingesetzt werden. Bei teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen käme eine solche Umschulung wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes von vornherein ohnehin nicht in Betracht. Die Änderungskündigung sei daher wirksam vor dem Hintergrund, dass mit Einführung des Beleghebammensystems eine Weiterbeschäftigung als angestellte Hebamme n...