Entscheidungsstichwort (Thema)
fristlose Kündigung. Arbeitszeitbetrug. Arbeitsbummelei
Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Betriebsparteien ausdrücklich in einer Betriebsvereinbarung zur Einführung eines Zeiterfassungssystems, dass die erhobenen Daten nur zur Lohnabrechnung nicht aber zur Verhaltenskontrolle verwendet werden dürften, so kann sich der Arbeitgeber zur Begründung einer fristlosen Kündigung nicht auf die erhobenen Daten berufen.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 626; BetrVG § 77 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 02.02.2005; Aktenzeichen 12 Ca 9724/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2005 – 12 Ca 9724/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Der Kläger ist 55 Jahre alt und verheiratet. Er ist seit dem 15.03.1974 bei der Beklagten als Flugscheinverkäufer beschäftigt gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 3.460,00 EUR. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag ist der Kläger ordentlich nicht kündbar.
Aufgrund eines Spruchs der Einigungsstelle vom 19.01.1998 (Bl. 70 d. A.) existiert im Unternehmen eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Einführung eines Zeitdatenmanagement-Systems. Dabei geht es unter anderem um eine elektronische Arbeitszeiterfassung an Zeiterfassungsterminals, an denen sich die Arbeitnehmer der Beklagten ein- und ausbuchen können, mittels einer Software namens TARIS. Die Nr. 11 der Rahmenbetriebsvereinbarung lautet wörtlich: „Die im T gespeicherten Daten dürfen ausschließlich zu den in dieser BVB geregelten Zwecken verwendet werden. Eine Verhaltens- und Leistungskontrolle findet im Übrigen nicht statt.” Für die Station K wurde am 06.04.2002 durch Spruch der Einigungsstelle die entsprechende Regelung für den konkreten Betrieb getroffen. Dort heißt es unter § 2 „Zweckbestimmung,” dass das Zeitdatenmanagement-System dazu diene, arbeitszeitrelevante An- und Abwesenheitszeiten zum Zweck der Vergütungsabrechnung zu erfassen. Im Gebäude des Flughafens K existieren drei Zeiterfassungsterminals. Der direkte Weg vom nächstgelegenen Terminal zum Arbeitsplatz des Klägers nimmt wenige Minuten in Anspruch.
Am 13.08.2004 und am 24.08.2004 wurde der Kläger dabei beobachtet, wie er mit seinem Auto auf dem Mitarbeiterparkplatz erschien, obwohl er sich – für diese beiden Tage unstreitig – vorher schon im Zeiterfassungssystem eingebucht hatte. Nach dem 25.08.2004 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 01.09.2004 fand ein Personalgespräch statt in Anwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden Herrn R. In diesem Gespräch wurde der Kläger mit dem Vorwurf des Arbeitszeitbetruges konfrontiert. Dieses geschah im Hinblick auf die beiden besagten Tage, aber auch im Hinblick auf diverse weitere Tage, an denen die von ihm eingebuchte Zeit erheblich abgewichen sei von dem Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Schichtleiter sein tatsächliches Erscheinen am Arbeitsplatz wahrgenommen habe. Die Einzelheiten dieses Gespräches sind streitig. Jedenfalls waren auf der Tabelle mit den einzelnen Zeitabweichungen – soweit diese Tabelle überhaupt vorgelegt wurde – die Namen der jeweils berichtenden Schichtleiter nicht vermerkt.
Mit Schreiben vom 03.09.2004 wurde der Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung, hilfsweise zu einer außerordentlichen mit sozialer Auslauffrist angehört. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 8 d. A.). Am 07.09.2004 (Bl. 14 d. A.) äußerte der Betriebsrat hierzu Bedenken. Nach seiner Auffassung sei allenfalls eine Abmahnung verhältnismäßig gewesen und eine Verwertung der T-Daten habe nicht erfolgen dürfen. Die Zeitdifferenzen am 13.08.2004 und 24.08.2004 seien im Übrigen auf Gesprächstermine im Betriebsratsbüro zurückzuführen gewesen.
Mit Schreiben vom 08.09.2004, dem Kläger zugegangen am 14.09.2004, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.
Mit der am 24.09.2004 anhängig gemachten Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, er habe nicht in einem Maße gegen seine Vertragspflichten verstoßen, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein könne. Am 13.08.2004 habe er einen Termin beim Betriebsrat gehabt. Es sei schon spät gewesen, deshalb habe er auf dem Publikumsparkplatz geparkt, habe sich in das Arbeitszeiterfassungssystem eingebucht, sei zum Betriebsrat gegangen und anschließend zurück zum Auto, um es auf den Mitarbeiterparkplatz zu bringen. Am 24.08.2004 habe es erneut einen Termin beim Betriebsrat gegeben. Hierzu habe er schwere Taschen mit Unterlagen mitgebracht. Deshalb habe er auch dieses Mal auf dem Kundenparkplatz geparkt. Er habe die Unterlagen beim Betriebsrat abgegeben und sei dann zurück zum Auto und mit diesem auf den Mitarbeiterparkplatz. Die weiteren von der Beklagten behaupteten Abweichungen zwischen der jeweils gebuchten „Kommt-Zeit” und dem angeblichen tatsächlichen Eintreffen am Arbeitsplatz bes...