Entscheidungsstichwort (Thema)
2500 Euro Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Hinweis auf Erreichen der Altersgrenze als unzulässiges Ablehnungskriterium
Leitsatz (redaktionell)
Der Hinweis auf das Erreichen der Regelaltersgrenze im Rahmen eines Auswahlverfahrens ist ein unzutreffendes Ablehnungskriterium. Das Handeln des Arbeitgebers ist hier nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt, so dass ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 2500 Euro wegen Diskriminierung angemessen erscheint.
Normenkette
AGG §§ 10, 3, 7, 15 Abs. 2, § 22
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 23.06.2020; Aktenzeichen 6 Ca 2380/19) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.06.2020 - 6 Ca 2380/19 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung wegen Altersdiskriminierung.
Der 74-jährige Kläger, Oberamtsrat a. D., bewarb sich bei der Beklagten mitE-Mail vom 24.07.2019 auf eine Stellenausschreibung für eine Stelle als Bürosachbearbeiterin/Bürosachbearbeiter, gemeinsames Geschäftszimmer, Abteilungsleitereinsatz/Abteilungsleitereinsatzunterstützung in der B T (Kenn-Nummer T - - ). Nachdem die Beklagte ihn mit E-Mail vom 31.07.2019 gebeten hatte, seine Bewerbung über den Online-Bewerbungsbogen einzureichen, antwortete der Kläger zunächst mit E-Mail vom selben Tag, dass er mit der Beklagten nicht arbeiten könne und bat um Stornierung seiner Bewerbung. Darauf reagierte die Beklagtenseite mit E-Mail vom 01.08.2019 und teilte dem Kläger mit, sie habe vermerkt, dass er seine Bewerbung zurückgezogen habe. Daraufhin bat der Kläger mit E-Mail ebenfalls vom 01.08.2019 um Kenntnisnahme, dass er grundsätzlich Interesse an der Stelle habe - aber der technische Kontakt zur Personalgewinnung ihm nicht möglich sei. Hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 05.08.2019 mit, sein bestehendes Interesse an der ausgeschriebenen Funktion sei dankend zur Kenntnis genommen worden. Nach Rücksprache mit dem Personaldienstleister könne dem Kläger mitgeteilt werden, dass er manuell in das Verfahren aufgenommen worden sei und somit seine Bewerbung berücksichtigt werden könne.
Mit E-Mail vom 19.09.2019 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, die Wahl in dem Besetzungsverfahren sei nicht auf den Kläger gefallen. Zur Begründung wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, der im Bereich der Beklagten Grundlage der Vertragsbedingungen sei, in § 33 TVöD regele, dass ein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monatsende, mit welchem Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hätten. Die Beklagte habe ergänzend dazu die grundsätzliche Entscheidung getroffen, keine Arbeitsverhältnisse mit externen Personen zu begründen, die bereits die sogenannte Regelaltersgrenze erreicht hätten.
Der Kläger schrieb der Beklagten mit E-Mail vom 19.09.2019, die ablehnende Entscheidung stelle eine Altersdiskriminierung dar, die Schadensersatzansprüche für den Kläger auslöse. Mit Schreiben vom 23.09.2019 machte der Kläger eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG in angemessener Höhe und dabei mindestens in Höhe von 10.000,00 € geltend.
Mit seiner Klage vom 19.12.2019, die am selben Tag beim Arbeitsgericht in Bonn eingegangen und am 02.01.2020 der Beklagten zugestellt worden ist, verfolgt der Kläger dieses Entschädigungsbegehren gegenüber der Beklagtenseite weiter.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die ablehnende Entscheidung der Beklagten auf seine Bewerbung stelle eine Altersdiskriminierung dar, die einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG auslöse. Die Berufung der Beklagten auf die Regelaltersgrenze stelle keine Rechtfertigung im Sinne des § 10 Satz 3Nr. 5 AGG dar.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2019 zu zahlen, wobei die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 10.000,00 € brutto nicht unterschreiten solle.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Rechtsauffassung vertreten, die Ablehnung der Stellenbewerbung des Klägers mit Rücksicht auf das Überschreiten der Regelaltersgrenze sei nach § 10 AGG gerechtfertigt. Zwar sei das Lebensalter des Klägers für die Nichtberücksichtigung ausschlaggebend gewesen; die Nichtberücksichtigung sei aber gerechtfertigt durch ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG. In diesem Zusammenhang sei Artikel 6 EG-RL 2000/78 zu berücksichtigen, so dass legitime Ziele im Sinne des § 10 AGG aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik dabei insbesondere unter Berücksichtigung der Förderung der Einstellung jüngerer Menschen und der Schaffung einer ausgewogenen Altersst...