Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht des Arbeitgebers bei Ausgleich für Nachteile bei Nachtarbeit. Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags in Höhe von 25% für Zeitungszusteller. Relevanz der Umstände der Arbeitsverrichtung für Abweichung bei Nachtarbeitszuschlag. Keine Minderung des Nachtarbeitszuschlags bei Randlage der Arbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Regelungen zur Höhe des Nachtarbeiterzuschlags in einer Betriebsvereinbarung sind Minderungen oder Erhöhungen zulässig.
2. Die Abweichung von Regelsätzen beim Nachtarbeitszuschlag richten sich nach den Umständen der Arbeitsverrichtung.
Normenkette
ArbZG § 6 Abs. 5; GG Art. 5; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 03.07.2019; Aktenzeichen 20 Ca 8905/18) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.07.2019 - 20 Ca 8905/18 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags für die von der Klägerin als Zeitungszustellerin zu verrichtende Nachtarbeit im Zeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2017.
Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 04.06.1985 als Zeitungszustellerin beschäftigt. Grundlage ihres Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 03.08.1999.
Die Beklagte ist ein Zustellbetrieb und stellt die Zeitungstitel der M D R (K -S , K R , E ) in ihrem Zustellterritorium an die jeweiligen Abonnenten zu. Bei der Beklagten sind ca. 1.050 Zusteller beschäftigt. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.
Gemäß Ziff. 2 des Arbeitsvertrages vom 03.08.1999 ist die Klägerin verpflichtet, die angelieferten Zeitungen täglich bis 06:30 Uhr an die vorgegebenen Adressen auszutragen.
In der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016 regelte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat Folgendes:
"1. Die Arbeitgeberin verzichtet bezüglich solcher Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlags, die zum heutigen Tag nicht bereits verfallen sind. Auf die Einhaltung etwaiger Verfallfristen durch die Arbeitnehmer, die als Zeitungszusteller bei ihr beschäftigt sind oder waren. Die Frage der angemessenen Höhe ist zwischen den Parteien streitig.
2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, einen höheren Nachtzuschlag als 10 % an alle bei ihr beschäftigten Zeitungszusteller zu zahlen, wenn im Rechtsstreit eines Zeitungszustellers, der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist oder war, durch rechtskräftiges Urteil ein höherer Nachtzuschlag als 10 % als angemessen festgestellt worden ist (einer Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht). Diese Verpflichtung übernimmt die Arbeitgeberin durch diese Betriebsvereinbarung für spätestens für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils."
Unter Ziffer I.3. der Betriebsvereinbarung zur innerbetrieblichen Lohngestaltung vom 23.12.2016 ist hinsichtlich eines angemessenen Nachzuschlags als Lohnbestandteil geregelt, dass dieser für bis zum 31.12.2016 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 20 % und für ab dem 01.01.2017 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 10 % betrage.
Mit Schreiben vom 30.10.2018 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Zahlung einer Nachtarbeitszulage von 30 % als angemessen geltend und fordert mit Rücksicht darauf, für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 für die von ihr geleistete Nachtarbeit den entsprechenden Differenzbetrag zu den von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 20 % nachzuzahlen.
Mit ihrer Klage vom 27.12.2018, die am selben Tag beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung der Differenzbeträge hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge weiter.
Sie hat erstinstanzlich geltend gemacht, ihr stehe ein Anspruch auf Differenzzahlung zwischen der von der Beklagtenseite geleisteten Zuschlagshöhe von 20 % des Lohns zu geschuldeten 30 % für den Zeitraum ab Januar 2015 bis einschließlich Dezember 2017 zu. Die Voraussetzungen der zuschlagspflichtigen Nachtarbeit im Sinne des § 6 ArbZG lägen vor, da die Klägerin an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leiste und die tägliche Arbeitszeit dabei mehr als zwei Stunden während der Nachtzeit liege und den Zeitraum von 03:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasse, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 ArbZG erfüllt seien. Gründe, aufgrund deren ein Herabsetzen des Regelsatzes für Dauernachtarbeit von 30 % des üblichen Lohns zu rechtfertigen wäre, seien nicht gegeben. Den Grundsätzen der Pressefreiheit der Beklagten im Sinne des Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG sei durch die zugunsten der Presseunternehmen geltende Übergangsregelung im MiLoG hinreichend Rechnung getragen. Ob es sich bei der von der Klägerin zu verrichtenden Tätigkeit um eine leichte handele, sei irrelevant, da der Zuschlag unabhängig davon an die besondere Belastung durch die Nachtarbeit selber anknüpfe. Durch die wirtschaftliche Lage v...