Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Reduzierung des Nachtarbeitszuschlages bei Zeitungszustellern. Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlages in Höhe von 30 Prozent des üblichen Lohns

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber übt durch die Zahlung von Nachtarbeitszuschlag sein Wahlrecht aus. Die Schwere der Tätigkeit ist dabei für die Höhe des Nachtarbeitszuschlages unerheblich.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5; GG Art. 5; BGB § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen 14 Ca 8841/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen 10 AZR 537/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.09.2019 - 14 Ca 8841/18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags für die von der Klägerin als Zeitungszustellerin zu verrichtende Nachtarbeit im Zeitraum von Januar 2015 bis Juni 2019.

Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 01.03.1998 als Zeitungszustellerin beschäftigt. Grundlage ihres Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 10.12.2005.

Die Beklagte ist ein Zustellbetrieb und stellt die Zeitungstitel der M D R (K-S, K R, E ) in ihrem Zustellterritorium an die jeweiligen Abonnenten zu. Bei der Beklagten sind ca. 1.050 Zusteller beschäftigt. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

Gemäß § 5 des Arbeitsvertrages vom 10.12.2005 ist die Klägerin verpflichtet, die angelieferten Zeitungen täglich bis 06:00 Uhr an die vorgegebenen Adressen auszutragen.

Gemäß § 9 des Arbeitsvertrages vom 10.12.2005 ist eine Ausschlussklausel mit folgendem Inhalt geregelt:

Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats Frist nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden; andernfalls sind sie verwirkt.

In der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016 regelte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat Folgendes:

"1. Die Arbeitgeberin verzichtet bezüglich solcher Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlags, die zum heutigen Tag nicht bereits verfallen sind. Auf die Einhaltung etwaiger Verfallfristen durch die Arbeitnehmer, die als Zeitungszusteller bei ihr beschäftigt sind oder waren. Die Frage der angemessenen Höhe ist zwischen den Parteien streitig.

2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, einen höheren Nachtzuschlag als 10 % an alle bei ihr beschäftigten Zeitungszusteller zu zahlen, wenn im Rechtsstreit eines Zeitungszustellers, der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist oder war, durch rechtskräftiges Urteil ein höherer Nachtzuschlag als 10 % als angemessen festgestellt worden ist (einer Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht). Diese Verpflichtung übernimmt die Arbeitgeberin durch diese Betriebsvereinbarung für spätestens für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils."

Unter Ziffer I.3. der Betriebsvereinbarung zur innerbetrieblichen Lohngestaltung vom 23.12.2016 ist hinsichtlich eines angemessenen Nachzuschlags als Lohnbestandteil geregelt, dass dieser für bis zum 31.12.2016 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 20 % und für ab dem 01.01.2017 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 10 % betrage.

Mit ihrer Klage vom 20.12.2018, die am 21.12.2018 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, und mit Klageerweiterungen vom 22.03.2019 bzw. 23.07.2019 macht die Klägerin die Zahlung einer Nachtarbeitszulage von 30 % als angemessen geltend und fordert mit Rücksicht darauf, für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 für die von ihr geleistete Nachtarbeit den entsprechenden Differenzbetrag zu den von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 20 % nachzuzahlen.

Sie hat erstinstanzlich geltend gemacht, ihr stehe ein Anspruch auf Differenzzahlung zwischen der von der Beklagtenseite geleisteten Zuschlagshöhe von 20 % des Lohns zu geschuldeten 30 % für den Zeitraum ab Januar 2015 bis einschließlich Februar 2019 zu. Die Voraussetzungen der zuschlagspflichtigen Nachtarbeit im Sinne des § 6 ArbZG lägen vor, da die Klägerin an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leiste und die tägliche Arbeitszeit dabei mehr als zwei Stunden während der Nachtzeit liege und den Zeitraum von 03:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasse, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 ArbZG erfüllt seien. Gründe, aufgrund deren ein Herabsetzen des Regelsatzes für Dauernachtarbeit von 30 % des üblichen Lohns zu rechtfertigen wäre, seien nicht gegeben.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.563,18 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 761,47 € seit dem 01.01.2016 sowie aus 721,35 € seit dem 01.01.2017 sowie aus 1.132,08 € seit dem 01.01.2018 sowie aus 948,28 € seit dem 01.11.2018 zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 302,58 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 95,58 € brutto seit dem 01.01.2019, aus 107,6...

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