Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit eines durchschnittlichen Nachtarbeitszuschlags von 25%. Zulässigkeit der Zuschlag-Reduzierung oder -erhöhung bei abweichender Belastung des Nachtarbeiters. Zeitungszusteller nicht mit Tätigkeiten wie Rettungsdienst vergleichbar. Ausschlussfristen zur Geltendmachung von Ansprüchen unter drei Monaten unwirksam
Leitsatz (redaktionell)
Der Nachtarbeitszuschlag ist die Ausübung des Wahlrechtes zum Ausgleich der Belastung bei Tätigkeiten von 22 Uhr bis 6 Uhr.
Normenkette
ArbZG § 6 Abs. 5; GG Art. 5; BGB § 305
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 11.07.2019; Aktenzeichen 10 Ca 8775/18) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2019 - 10 Ca 8775/18 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags für die von der Klägerin als Zeitungszustellerin zu verrichtende Nachtarbeit im Zeitraum von Januar 2015 bis Februar 2019.
Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 29.12.2005 als Zeitungszustellerin beschäftigt. Grundlage ihres Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 31.05.2007.
Die Beklagte ist ein Zustellbetrieb und stellt die Zeitungstitel der M D R (K -S , K R , E ) in ihrem Zustellterritorium an die jeweiligen Abonnenten zu. Bei der Beklagten sind ca. 1.050 Zusteller beschäftigt. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.
Gemäß § 6 des Arbeitsvertrages vom 31.05.2007 ist die Klägerin verpflichtet, die angelieferten Zeitungen täglich bis 06:30 Uhr an die vorgegebenen Adressen auszutragen.
Gemäß § 9 des Arbeitsvertrages vom 31.05.2007 ist eine Ausschlussklausel mit folgendem Inhalt geregelt:
Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats Frist nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden; andernfalls sind sie verwirkt.
In der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016 regelte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat Folgendes:
"1. Die Arbeitgeberin verzichtet bezüglich solcher Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlags, die zum heutigen Tag nicht bereits verfallen sind. Auf die Einhaltung etwaiger Verfallfristen durch die Arbeitnehmer, die als Zeitungszusteller bei ihr beschäftigt sind oder waren. Die Frage der angemessenen Höhe ist zwischen den Parteien streitig.
2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, einen höheren Nachtzuschlag als 10 % an alle bei ihr beschäftigten Zeitungszusteller zu zahlen, wenn im Rechtsstreit eines Zeitungszustellers, der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist oder war, durch rechtskräftiges Urteil ein höherer Nachtzuschlag als 10 % als angemessen festgestellt worden ist (einer Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht). Diese Verpflichtung übernimmt die Arbeitgeberin durch diese Betriebsvereinbarung für spätestens für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils."
Unter Ziffer I.3. der Betriebsvereinbarung zur innerbetrieblichen Lohngestaltung vom 23.12.2016 ist hinsichtlich eines angemessenen Nachzuschlags als Lohnbestandteil geregelt, dass dieser für bis zum 31.12.2016 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 20 % und für ab dem 01.01.2017 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 10 % betrage.
Mit ihrer Klage vom 20.12.2018, die am selben Tag beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, und mit Klageerweiterung vom 22.03.2019 macht die Klägerin die Zahlung einer Nachtarbeitszulage von 30 % als angemessen geltend und fordert mit Rücksicht darauf, für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 für die von ihr geleistete Nachtarbeit den entsprechenden Differenzbetrag zu den von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 20 % nachzuzahlen.
Sie hat erstinstanzlich geltend gemacht, ihr stehe ein Anspruch auf Differenzzahlung zwischen der von der Beklagtenseite geleisteten Zuschlagshöhe von 20 % des Lohns zu geschuldeten 30 % für den Zeitraum ab Januar 2015 bis einschließlich Februar 2019 zu. Die Voraussetzungen der zuschlagspflichtigen Nachtarbeit im Sinne des § 6 ArbZG lägen vor, da die Klägerin an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leiste und die tägliche Arbeitszeit dabei mehr als zwei Stunden während der Nachtzeit liege und den Zeitraum von 03:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasse, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 ArbZG erfüllt seien. Gründe, aufgrund deren ein Herabsetzen des Regelsatzes für Dauernachtarbeit von 30 % des üblichen Lohns zu rechtfertigen wäre, seien nicht gegeben.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.619,37 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.007,13 € seit dem 01.01.2016 sowie aus 872,82 € seit dem 01.01.2017 sowie aus 830,45 € seit dem 01.01.2018 sowie aus 908,97 € seit dem 01.11.2018 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 250,28 € brutto...