Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlages in Höhe von 30 Prozent vom Lohn für Zeitungszusteller. Keine Reduzierung der Zuschlagshöhe bei weniger schwerer Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber übt durch die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages sein Wahlrecht zum Ausgleich aus.

2. Vorformulierte Verfallklauseln verstoßen gegen das Transparenzgebot.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5; GG Art. 5; ZPO § 259; BGB § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 16.08.2019; Aktenzeichen 14 Ca 8840/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen 10 AZR 542/20)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.08.2019 - 14 Ca 8840/18 - teilweise abgeändert und hinsichtlich Ziffer 2) wie folgt neu gefasst:

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab Juni 2019 einen Nachtzuschlag für die Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe von 30 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags für die vom Kläger als Zeitungszusteller zu verrichtende Nachtarbeit im Zeitraum ab Januar 2015.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 12.01.2015 als Zeitungszusteller beschäftigt. Grundlage seines Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 28.02.2015.

Die Beklagte ist ein Zustellbetrieb und stellt die Zeitungstitel der M D R (K -S , K R , E ) in ihrem Zustellterritorium an die jeweiligen Abonnenten zu. Bei der Beklagten sind ca. 1.050 Zusteller beschäftigt. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

Gemäß § 5 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 28.02.2015 ist der Kläger verpflichtet, die angelieferten Zeitungen täglich bis 06:30 Uhr an die vorgegebenen Adressen auszutragen.

Gemäß § 9 des Arbeitsvertrages vom 28.02.2015 ist eine Ausschlussklausel mit folgendem Inhalt geregelt:

Alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag müssen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Nach schriftlicher Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs durch die Gesellschaft ist der Anspruch binnen einer Frist von drei Monaten gerichtlich einzuklagen. Danach ist jegliche Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen.

In der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016 regelte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat Folgendes:

"1. Die Arbeitgeberin verzichtet bezüglich solcher Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlags, die zum heutigen Tag nicht bereits verfallen sind. Auf die Einhaltung etwaiger Verfallfristen durch die Arbeitnehmer, die als Zeitungszusteller bei ihr beschäftigt sind oder waren. Die Frage der angemessenen Höhe ist zwischen den Parteien streitig.

2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, einen höheren Nachtzuschlag als 10 % an alle bei ihr beschäftigten Zeitungszusteller zu zahlen, wenn im Rechtsstreit eines Zeitungszustellers, der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist oder war, durch rechtskräftiges Urteil ein höherer Nachtzuschlag als 10 % als angemessen festgestellt worden ist (einer Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht). Diese Verpflichtung übernimmt die Arbeitgeberin durch diese Betriebsvereinbarung für spätestens für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils."

Unter Ziffer I.3. der Betriebsvereinbarung zur innerbetrieblichen Lohngestaltung vom 23.12.2016 ist hinsichtlich eines angemessenen Nachzuschlags als Lohnbestandteil geregelt, dass dieser für bis zum 31.12.2016 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 20 % und für ab dem 01.01.2017 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 10 % betrage.

Mit Schreiben vom 14.10.2018 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung einer Nachtarbeitszulage von 30 % als angemessen geltend und fordert mit Rücksicht darauf, für den Zeitraum ab dem 12.01.2015 für die von ihm geleistete Nachtarbeit den entsprechenden Differenzbetrag zu den von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 20 % nachzuzahlen.

Mit seiner Klage vom 21.12.2018, die am 24.12.2018 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, und im Rahmen der Klageerweiterung vom 24.06.2019 verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung der Differenzbeträge hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge weiter.

Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, ihm stehe ein Anspruch auf Differenzzahlung zwischen der von der Beklagtenseite geleisteten Zuschlagshöhe von 20 % des Lohns zu geschuldeten 30 % für den Zeitraum ab Januar 2015 zu. Die Voraussetzungen der zuschlagspflichtigen Nachtarbeit im Sinne des § 6 ArbZG lägen vor, da der Kläger an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leiste und die tägliche Arbeitszeit dabei mehr als zwei Stunden während der Nachtzeit liege und den Zeitraum von 03:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasse, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 ArbZG erfüllt seien. Gründe, aufgrund deren ...

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