Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtungsfreiheit des Existenzminimums
Leitsatz (amtlich)
1. Auch in Fällen sogenannter inkongruenter Deckung kann es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sein, dass das Existenzminimum, das auch die Pfändungsfreibeträge nach § 850 c ZPO bestimmt, anfechtungsfrei bleibt.
2. Es spricht viel dafür, dass bei den Anfechtungsfällen des § 131 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 die Inkongruenz für den Anfechtungsgegner objektiv erkennbar sein muss.
Normenkette
InsO § 131 Abs. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 05.06.2014; Aktenzeichen 11 Ca 10240/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers (*1) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.06.2014 - 11 Ca 10240/12 - abgeändert:
Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.05.2013 - 11 Ca 10240/12 - wird aufrechterhalten.
Die weiteren Kosten des Rechtstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte an den Kläger 2.950,73 € nebst Zinsen zu zahlen hat, die er von März bis Mai 2009 in mehreren Tranchen als Zahlungen auf sein Arbeitslohn erhalten hat. Der Kläger berühmt sich eines Anfechtungsrechts aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO und aus abgetretenem Recht eines solchen aus § 134 InsO.
Der Beklagte war vom 02.01.2002 bis zum 31.10.2009 Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin, der H F GmbH. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers, des Insolvenzverwalters über das Vermögen dieser GmbH, mit Schreiben vom 27.08.2009. Zum Zeitpunkt der später angefochtenen Entgeltzahlungen war der Beklagte zwei Kindern und seiner Ehefrau unterhaltsverpflichtet.
Die Insolvenzschuldnerin führte in S einen Betrieb, in dem der Beklagte beschäftigt war. Die Insolvenzschuldnerin war Tochtergesellschaft der H P GmbH, die Insolvenzschuldnerin erbrachte ihre Leistungen fast ausschließlich an die H P GmbH, welche wiederum Endkunden wie B , C u. ä. belieferte. Die Geschäftsführer der beiden Gesellschaften waren personenidentisch. Bei den Unternehmen der H -Gruppe handelte es sich um metallverarbeitende Betriebe, welche für die Automobilindustrie fertigten. Die Muttergesellschaft, die H P GmbH, hatte ihren Geschäftsbetrieb in A , rund 370 km von dem Betrieb entfernt, in dem der Kläger beschäftigt war.
Der Beklagte erhielt auf seinem Bankkonto bei der S K mit Wertstellung zum 13.03.2009 ausweislich seiner Kontoauszüge (Bl. 70 ff.d. A.) einen Betrag von 843,00 € mit dem Vermerk "Buchung ohne Beleg H F GM Lohn und Gehalt 02.2009". Mit Wertstellung zum 31.03.2009 erhielt er 1.000,00 € mit dem gleichlautendem Vermerk für 03.2009. Mit Wertstellung zum 15.04.2009 erhielt er wiederum mit gleichlautendem Vermerk 620,17 € für 03.2009. Mit Wertstellung zum 30.04.2009 erhielt er mit dem gleichen Vermerk 1.000,00 € für 04.2009 und mit Wertstellung zum 22.05.2009 wiederum mit gleichlautendem Vermerk 330,56 € für 04.2009.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Insolvenzschuldnerin dem Kläger entsprechende Zahlungen als Arbeitsentgelt schuldete. Auch die vorhergehenden Geldzahlungen, die der Beklagte im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erhalten hatte, wiesen auf dem Kontoauszug des Beklagten den gleichen Vermerk aus.
Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde auf ihren Eigenantrag vom 02.06.2009 hin mit Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 30.07.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Unter demselben Datum wurde auch über das Vermögen der Muttergesellschaft, der H P GmbH, das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. H zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit gemeinsamen Schreiben vom 17.12.2012 forderten Dr. H und der Kläger, Rechtsanwalt L , die Summe der zuvor genannten Zahlungen unter Berufung auf Anfechtungsrechte aus §§ 131 und 134 InsO zurück, weil die Zahlung durch die H P GmbH erfolgt sei.
Der Kläger hat behauptet, die gesamte Firmengruppe habe sich seit Anfang 2008 in einer tiefgreifenden Krise befunden. Die wesentlich finanzierenden Banken hätten Mitte 2008 in einer abgestimmten Aktion ihre Kredite fällig gestellt. In diesem Zusammenhang hätten die K W , die H und die S Z insgesamt Kredite von 8.113.000,00 € fällig gestellt und die Muttergesellschaft zur Rückzahlung bis zum 15.08.2008 aufgefordert.
Um die eingehenden Kundenzahlungen dem Zugriff der Banken zu entziehen, habe die Firma H P GmbH seither ihren wesentlichen Zahlungsverkehr über ihr Geschäftskonto bei der V B , Kontonummer , abgewickelt. Mit diesen Mitteln sei es der H P GmbH zunächst möglich gewesen, ihren Geschäftsbetrieb wie auch die Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin und einer weiteren Firma der Gruppe, der Firma H S GmbH, fortzusetzen. Es hätten aber längst nicht mehr alle Lieferantenforderungen beglichen werden können. Im Zusammenhang mit den Kreditkündigungen bei der H P GmbH seien auch bei der Insolvenzschuldnerin erhebliche Zahlungsschwierigkeiten ab Mitte 2008 aufgetreten. Seit Ausspruch der Kreditkündigungen durch die Banken hätten sic...