Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestandskraft eines Vergleichs mangels rechtzeitiger Anfechtungserklärung. Fehlvorstellung als unwirksamer Anfechtungsgrund
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erklärung der Anfechtung eines Vergleichs eineinhalb Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils ist nicht unverzüglich im Sinne des § 121 BGB.
2. Fehlvorstellungen über die Rechtswirkungen eines Vergleichs stellen keinen wirksamen Anfechtungsgrund dar.
Normenkette
BGB §§ 779, 119, 121, 123, 142; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 14.09.2018; Aktenzeichen 18 Ca 1286/18) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 689/18 - durch gerichtlichen Vergleich vom 08.05.2019 erledigt ist.
Die weiteren durch die Anfechtung des Vergleichs entstandenen Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob ein gerichtlicher Vergleich vor dem Berufungsgericht den Rechtsstreit beendet hat.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 14.09.2018 - 18 Ca 1286/18 - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin als Erbin einen Pflichtteil in Höhe von 228.905,13 € abzüglich am 05.06.2012 gezahlter 100.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.03.2012 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage, die nach den Hauptanträgen auf Zahlung eines weitergehenden Pflichtteils von 155.433,01 € sowie eines Betrages von 388.377,31 € brutto wegen enttäuschter Vergütungserwartung, jeweils nebst Verzugszinsen, gerichtet war, abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils des Arbeitsgerichts vom 14.09.2018 wird auf Bl. 555 ff. d. A. verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt hat. Am 08.05.2019 haben die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 689/18 - auf Vorschlag des Gerichts einen Prozessvergleich zur Erledigung des Rechtsstreits geschlossen. Hiernach erzielten die Parteien Einigkeit über die Höhe des Ausgleichsbetrags hinsichtlich des Pflichtteils, den sie mit 291.217,51 € bezifferten. Zur Erfüllung der Ausgleichsplicht sollte die Beklagte einen ausstehenden Restbetrag in Höhe von 62.312,38 € zahlen. Damit seien zugleich sämtliche Klageforderungen erledigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Prozessvergleichs vom 08.05.2019 wird auf Bl. 675 d. A. Bezug genommen.
Nachdem die Klägerin aus dem Urteil des Arbeitsgerichts vom 14.09.2018 - 18 Ca 1286/18 - die Zwangsvollstreckung betrieben hatte, hat das Arbeitsgericht Köln mit Urteil vom 13.11.2019 - 18 Ca 5672/19 - die Zwangsvollstreckung auf Antrag der Beklagten für unzulässig zu erklärt. Zur Begründung hat im Wesentlichen ausgeführt, die Zwangsvollstreckung sei unzulässig, weil die im Urteil vom 14.09.2018 titulierten Ansprüche durch Vereinbarung der Parteien im Vergleich vom 08.05.2019 nachträglich entfallen seien. Dies ergebe die nach den §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung des Prozessvergleichs vor dem Landesarbeitsgericht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen (ArbG Köln - 18 Ca 5672/19 - Bl. 112 ff. d.A.).
Die Klägerin hat gegen das ihr am 12.12.2019 zugestellte Urteil am 08.01.2020 Berufung eingelegt und diese am 30.01.2020 mit Schriftsatz vom 28.01.2020 begründet. Mit der Berufungsbegründung hat sie, für den Fall dass das Berufungsgericht den Prozessvergleich dahin gehend auslege, dass die Klägerin mit Abschluss des Vergleichs auf titulierte Ansprüche verzichtet habe, vorsorglich die Anfechtung des Vergleichs wegen Inhaltsirrtum erklärt. Sie habe keinen Zinsverzicht erklärt und habe eine solche Erklärung nicht abgeben wollen, sie fühle sich überrumpelt. Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 07.02.2020 zugestellt.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 17.06.2020 - 5 Sa 12/20 - die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Vergleich vom 14.09.2018 sei so auszulegen, dass die Beklagte nur noch den ausdrücklich ausgewiesenen Restbetrag von 62.312,38 € zu zahlen habe. Die langjährigen Auseinandersetzungen hätten mit dieser Zahlung unter Ausschluss der Zwangsvollstreckung des Titels erster Instanz befriedet werden sollen. Dies zeige auch eine Gesamtschau der Regelungen des Vergleichs. Die Gesamtforderung sei ohne Zinsbetrag deklaratorisch festgehalten worden, die Erledigungsklausel beziehe sich auf sämtliche Klageforderungen. Die Zinsforderung sei Teil der Hauptforderung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17.06.2020 - 5 Sa 12/20 - wird auf Bl. 169 ff. der (beigezogenen) Verfahrensakte verwiesen.
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf ihre Anfechtung vom 28.01.2020 die Fortsetzung des Verfahrens Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 689/18 - beantragt.
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