Entscheidungsstichwort (Thema)
Empfangsboteneigenschaft. Ehegatte. antreffen außerhalb der Wohnung
Leitsatz (amtlich)
Nach der bisher herrschenden Meinung ist der Ehegatte auch außerhalb der Wohnung kraft Verkehrssitte als zum Empfang von Willenserklärungen ermächtigt anzusehen.
Normenkette
BGB § 130
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 15.10.2008; Aktenzeichen 3 Ca 1573/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.10.2008 – 3 Ca 1573/08 – teilweise abgeändert:
Der Klageantrag zu 1 wird vollständig abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch darum, ob ihr Arbeitsverhältnis am 31.03.2008 oder bereits am 29.02.2008 geendet.
Die am 20.01.1981 geborene Klägerin war seit dem 03.02.2003 Arbeitnehmerin der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Die vereinbarte Nettovergütung von 1.300,00 EUR entspricht einer Bruttovergütung von ca. 2.142,00 EUR. Am 31.01.2008 kam es am Arbeitsplatz der Klägerin zu einem Konflikt, in dessen Verlauf die Klägerin ihren Arbeitsplatz verließ. Die Beklagte entschied sich, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen und die Klägerin für den Verlauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung frei zu stellen.
Die Beklagte ließ das Kündigungsschreiben durch den Mitarbeiter O. G. in der Weise überbringen, dass dieser den Ehemann der Klägerin, mit dem er seit vielen Jahren befreundet war, an dessen Arbeitsplatz im O. M. am Nachmittag aufsuchte. Nach Behauptung der Beklagten übergab er ihm nach Schilderung des Sachverhalts das Kündigungsschreiben mit der Bitte, es an seine Frau weiterzuleiten. Dies habe der Ehemann der Klägerin zugesagt. Die Klägerin behauptet dem gegenüber, ihr Ehemann habe Herrn G. keinerlei Zusage gemacht, sondern erklärt, dass nicht er, sondern seine Ehefrau in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stünde. Formalitäten möge man intern regeln. Herr G. habe sodann das verschlossene Schreiben am Arbeitsplatz des Ehemannes zurückgelassen. Dort habe es der Ehemann zunächst liegen gelassen und erst am 01.02.2008 mit nach Hause genommen.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Ehemann der Klägerin grundsätzlich als Empfangsbote anzusehen ist und ob deshalb die Klägerin das Kündigungsschreiben als am 31.01.2008 zugegangen gegen sich gelten lassen muss, da bei üblicher Sorgfalt der Ehemann das Schreiben noch am 31.01.2008 der Klägerin zur Kenntnis gebracht hätte. Das Arbeitsgericht hat die Ansicht vertreten, Eheleute seien untereinander niemals als Empfangsboten anzusehen, vielmehr sei lediglich denkbar, dass der Ehemann der Klägerin Bote des Arbeitgebers, also des Versenders, sei. Die Verzögerung sei damit dem Arbeitgeber zuzurechnen.
Mit der Berufung beantragt die Beklagte,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.10.2008 – 3 Ca 1573/08 – teilweise abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis über dem 29.02.2008 bis zum 31.03.2008 bestanden hat.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Berufungsverfahren vertiefen beide Parteien ihre Ansichten zu der Frage, ob allein durch die Eigenschaft, mit dem Empfänger eine Erklärung verheiratet zu sein, nach der Verkehrsanschauung die Empfangsboteneigenschaft verbunden ist, oder ob dies nur dann der Fall ist, wenn die Sendung innerhalb der Ehewohnung an den Ehegatten übergeben wird. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist begründet. Als Zugangsdatum des Kündigungsschreibens ist der Klägerin der 31.01.2008 zuzurechnen. Damit lief die Kündigungsfrist am 29.02.2008 ab.
Nach Auswertung der teilweise auch älteren Literatur gelangt das Landesarbeitsgericht zu der Überzeugung, dass auch derzeit wohl heute noch von einer Verkehrssitte ausgegangen werden kann, wonach der Ehegatte einer Partei jeweils in der Weise dem Pflichtenkreis des Adressaten eines Schreibens zugeordnet ist, dass er als Bote des Adressaten zur Entgegennahme und Weiterreichung des Schreibens als eingesetzt angesehen werden kann. Dabei wird in der Literatur regelmäßig kein Unterschied gemacht, ob der als Empfangsbote in dieser Weise eingesetzte Ehegatte außerhalb oder innerhalb der Ehewohnung angetroffen wird. Gelingt es das Schreiben dem Empfangsboten zu übergeben, ist für den Zeitpunkt des Zugangs nur noch derjenige Zeitraum hinzuzurechnen, den der Bote benötigt, um das Schreiben bei regelmäßigem Verlauf der Dinge an den Adressaten auszuhändigen. Dies war auch Gegenstand der diskutierten Entscheidung des BGH vom 17.03.1994 (BGH, NJW 1994, Seite 2613, 2614). In diesem Fall hatte es der BGH nicht fü...