Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan. Kappungsgrenze. Altersdiskriminierung
Leitsatz (amtlich)
Höchstbegrenzungsklauseln für Abfindungen (sog. Kappungsgrenzen) verstoßen nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG und stellen keine altersmäßige Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer dar.
Normenkette
BetrVG § 75
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 20.12.2006; Aktenzeichen 4 Ca 1444/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 20.12.2006 – 4 Ca 1444/06 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines Sozialplanabfindung.
Die 1954 geborene, verheiratete Klägerin war von 1973 bis 2005 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten. Vor der Kündigung vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat im April 2005 einen Sozialplan, der in § 5 folgende Abfindungsregelung enthält:
„Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Jeder Mitarbeiter, der unter den Geltungsbereich dieses Sozialplans fällt und dessen Arbeitsverhältnis wegen der Betriebsänderung durch Beendigungskündigung oder Aufhebungsvertrag nach Abschluss des Interessenausgleiches und Sozialplans endet, erhält eine Abfindung nach § 5 Abs. 2 mit Ausnahme der Mitarbeiter, die unter den Geltungsbereich dieses Sozialplanes fallen und ein Änderungsangebot ablehnen und deren Arbeitsverhältnis deshalb durch Beendigungskündigung, Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung endet. Für diese gilt Abs. 2 nicht.
Jeder nach § 5 Abs. 1 anspruchsberechtigte Mitarbeiter erhält bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bruttoabfindung, die sich wie folgt errechnet:
Bruttomonatsgehalt × Lebensalter × Dauer der Betriebszugehörigkeit
77,5
mindestens jedoch eine Abfindung, die sich nach folgender Formel errechnet:
Bruttomonatsgehalt × 0,5 Dauer der Betriebszugehörigkeit,
höchstens jedoch insgesamt 70.000,00 EUR brutto.
Je unterhaltsberechtigtem Kind wird zusätzlich ein Betrag von brutto 2.000,00 EUR gezahlt.
Die Zahlung der Abfindungen erfolgen unter der Beachtung der steuerrechtlichen Regelungen, insbesondere § 3 Nr. 9 EStG.”
In der Gehaltsabrechnung für Februar 2006 rechnete die Beklagte für die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 70.000,00 EUR ab und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin aus.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe eine höhere Abfindung in Höhe von insgesamt 89.572,28 EUR zu, da die im Sozialplan vorgesehene Kappungsgrenze unwirksam sei. Hierzu hat sie gemeint, diese Kappungsgrenze verstoße gegen § 75 Abs. 1 BetrVG und stelle eine ungerechtfertigte Altersdiskriminierung dar. Sie betreffe ausschließlich Mitarbeiter, die ein hohes Lebensalter erreicht hätten, da nur solche Mitarbeiter über eine ausreichend lange Betriebszugehörigkeit verfügten, um einen entsprechend hohen Abfindungsanspruch zu erlangen. Eine sachliche Rechtfertigung für eine derartige Kappungsgrenze sei nicht ersichtlich. Schließlich komme es ohne eine derartige Abfindungskappung auch nicht zu einer unangemessenen Ausdehnung des Gesamtvolumens des Sozialplans, da die Mehrbelastung im vorliegenden Fall lediglich 19.572,28 EUR betrage und neben der Klägerin lediglich ein weiterer Mitarbeiter betroffen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Abfindungsbetrag in Höhe von 89.572,28 EUR abzüglich bereits abgerechneter 70.000,00 EUR, mithin 19.572,28 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die sozialplanmäßige Begrenzung der Abfindungssumme auf 70.000,00 EUR für wirksam erachtet und gemeint, der Sozialplan enthalte keine unmittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Diese seien vielmehr gegenüber Jüngeren privilegiert, da sie regelmäßig höhere Abfindungszahlungen erhielten. Auch für eine mittelbare Benachteiligung der Klägerin seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, was sich nicht zuletzt daraus ergebe, dass Alter und Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Abfindungsberechnung bei der Kappungsgrenze in gleicher Weise gewichtet würden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass von der Kappungsgrenze nicht nur die Klägerin, sondern insgesamt 5 Arbeitnehmer betroffen gewesen seien und sich das Sozialplanvolumen ohne Geltung der Kappungsgrenze um rund 170.000,00 EUR und damit um 16 % erhöhen würde. Bei einer derart gravierenden Mehrbelastung müsse eine Korrektur im Wege der Inhaltskontrolle des Sozialplans jedenfalls ausscheiden.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Sozialplan enthalte weder eine unmittelbare, noch eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Eine solche Benachteiligung scheide bei der Klägerin bereits dem Grunde nach aus, da sie durch die eingreifende Kappungsgrenze keine weniger günstige Behandlung als andere Arbeitnehme...