Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässiges Anforderungsprofil des öffentlichen Arbeitgebers für Bewerbungsverfahren. Kein Verstoß gegen Gleichbehandlung bei sachlichen Gründen für Ausschluss überqualifizierter Bewerber. Personalpolitische Aspekte als sachlicher Grund für Ausschluss Überqualifizierter. Kein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG bei zulässigem, hinreichend dokumentierten Anforderungsprofil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Rahmen seiner Organisationsgewalt inhaltlich frei, für die zu besetzende Stelle ein Anforderungsprofil aufzustellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren ist.

2. Diese Freiheit in der Gestaltung des Anforderungsprofils ist nicht auf die Festlegung von Mindestanforderungen beschränkt. Es ist gleichfalls zulässig, das Bewerberfeld „nach oben“ zu begrenzen, indem höher qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber von vornherein vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen werden.

3. Der Ausschluss von solchen „Überqualifizierten“ aus dem Bewerbungsverfahren verstößt nicht gegen Art 33 Abs. 1 GG, wenn er mit den folgenden sachlichen Kriterien begründet wird und das Anforderungsprofil zuvor zumindest behördenintern dokumentiert wurde: Gefahr des Verdrängungswettbewerbs „von oben nach unten“; Gefahr von Rangordnungskämpfen; Motivationsprobleme der Überqualifizierten („Bore Out“); Subordinationsprobleme des höher qualifizierten Untergebenen; Einfügungsprobleme in den Kreis gleichrangiger, aber geringer ausgebildeter Kolleginnen und Kollegen; drohende Fluktuation auf den zu besetzenden Stellen.

4. Bei der so begründeten Entscheidung, Überqualifizierte aus dem Bewerbungsverfahren auszuschließen, geht es um personalpolitische Erwägungen, die die Mitarbeiterzufriedenheit und eine nachhaltige Personalplanung zum Ziel haben, die damit unmittelbar die Eignung der Bewerberinnen und Bewerber betreffen und die folglich nach dem Maßstab des Art 33 Abs. 2 GG sachgerecht sind.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2, 1; BGB § 1004; AGG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 07.10.2020; Aktenzeichen 4 Ga 29/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn [„Bonn“ statt „Köln“ berichtigt durch Beschluss vom 12.04.2021] vom 07.10.2020 – 4 Ga 29/20 – wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Eilverfahren um die Besetzung einer Stelle mit einem Konkurrenten des Klägers und dabei insbesondere um die Frage, ob die Rechte des Klägers aus Art 33 Abs. 2 GG verletzt sind, weil er mit der Begründung abgelehnt worden war, er sei überqualifiziert.

Der Kläger ist 45 Jahre alt. Er ist Diplom-Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr (FH). Sein Fachhochschulabschluss erfolgte am 03.05.2011 bei der Hochschule B . Sechs Jahre später, am 26.07.2017, bestand er erfolgreich die Prüfung zum Master of Science im Studiengang „Operation and Management of Maritime Systems“ an der Hochschule in W . Seit Mai 2013 ist der Kläger am Institut für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit e.V. in R als Projektingenieur tätig.

Im Geschäftsbereich des Bu für Verkehr und digitale Infrastruktur der Bun ( VI) schrieb die beklagte Bun unter dem Referenzcode 20200770_0002 für das Referat WS 23 (Sicherheit in der Seeschifffahrt) eine Stelle aus für eine/einen „Nautikerin/Nautiker (w/m/d) (FH-Diplom/Bachelor) als Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter am Dienstsitz in Bo .“ Auf seine Bewerbung vom 05.06.2020 erhielt der Kläger unter dem Datum 15.06.2020 eine Ablehnung mit der Begründung, seine Bewerbung habe aus personalpolitischen Gründen wegen seines höheren Bildungsanschlusses nicht berücksichtigt werden können.

Ob die beklagte Bun die Rechte des Klägers aus Art 33 Abs. 2 GG verletzt hat, indem Sie mit dieser Begründung die Bewerbung des Klägers unberücksichtigt gelassen hat, ist der Kern des Streits zwischen den Parteien.

Gut vier Monate vor dem hier streitigen Bewerbungsverfahren entwarf das Personalreferat des BMVI Z10 unter dem Datum 28.01.2020 eine Abteilungsleitervorlage (Anlage AG 1, Bl. 69 d.A.). In dieser Vorlage heißt es auszugsweise:

Bewerberauswahlgrundsätze

- hier: Sachbearbeiter-Dienstposten im Referat E 22

[…]

Auf Ausschreibungen des VI für Bürosachbearbeiter- bzw. Sachbearbeiter-Dienstposten gehen immer wieder auch neben Bewerbungen mit den in den Ausschreibungen geforderten Abschluss Bewerbungen von sogenannten „überqualifizierten“ Bewerbern/Bewerberinnen ein. Für die oben genannte Ausschreibung z.B. war ein Bachelor-Abschluss gefordert, beworben haben sich aber auch Bewerber mit einem Master-Abschluss. Um, wie bei der hier vorliegenden konkreten Ausschreibung, nur die Bewerbungen mit dem geforderten Bachelor-Abschluss in die engere Auswahl nehmen bzw. Master-Abschlüsse ausschließen zu können, bedarf es einer Grundsatzentscheidung des BM in personalpolitischer Hinsicht, damit der Grundsatz der Bestenauslese gewahrt bzw. eine unmittelbare Benachteiligung wegen Behinderung vermieden wird, ...

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