Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsverlagerung. Austauschkündigung. Sozialauswahl. Anforderungsprofil. Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitsverlagerung als Kündigungsgrund erfordert substanziierten Sachvortrag des Arbeitgebers zum Vorliegen freier Arbeitskapazitäten bei den übrigen Mitarbeitern. Die pauschale Angabe, die Arbeit habe ohne Leistungsverdichtung problemlos umverteilt werden können, genügt nicht.
2. Wird rechtskräftig die Unwirksamkeit einer Kündigung festgestellt, so kann der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des unwirksam gekündigten Arbeitnehmers nicht unter Berufung auf den fehlenden Beschäftigungsbedarf wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Einstellung einer Ersatzkraft ablehnen.
3. Die Befugnis des Arbeitgebers zur Aufstellung eines Anforderungsprofils betrifft ausschließlich freie Arbeitsplätze.
4. Weitere im Zusammenhang mit einem Kündigungsschutzverfahren erfolgende Zahlungsklagen dienen regelmäßig der Wahrnehmung berechtigter Interessen und vermögen insofern keinen Auflösungsgrund für den Arbeitgeber darzustellen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3, § 9
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 23.09.2004; Aktenzeichen 19 Ca 3204/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.09.2004 – 19 Ca 3204/04 – wird zurückgewiesen.
2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung und die damit zusammenhängende Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers sowie über ein weitergehendes Auflösungsbegehren der Beklagten. Von einer erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23.09.2004 stattgegeben. Es hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die am 23.03.2004 übergebene Kündigung vom gleichen Tag nicht aufgelöst worden ist und hat die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. Gleichzeitig hat es den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 25.10.2004 zugestellte Urteil am 19.11.2004 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 27.01.2005 begründet. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und führt weiter aus, die Beklagte sei von der Rechtswirksamkeit der gegenüber dem Kläger am 31.01.2003 mit Wirkung zum 30.04.2003 sowie der am 02.04.2003 ausgesprochenen fristlosen Kündigung ausgegangen und habe daraufhin die zuvor im Rechnungswesen des Betriebes B der K GmbH tätige Frau M V in ihre Abteilung Accounting und Control übernommen. Frau V habe aufgrund ihrer früheren Tätigkeit detaillierte Kenntnisse über die steuerlichen Zusammenhänge und über die Administration der S – Gruppe. Außerdem habe sie durch nichts zu ersetzende Kenntnisse aus den vorangegangenen diesbezüglichen Betriebsprüfungen. Auch seien die Kenntnisse von Frau V und damit deren Beschäftigung bei der Beklagten unerlässlich für die zukünftig geplante eventuelle Aufspaltung der K GmbH.
Die Beklagte trägt weiter vor, der Arbeitsanfall im Bereich Accounting und Control habe sich wesentlich verringert, da die Mitarbeiterzahl in den vergangenen Jahren konzernweit um 1000 und in Deutschland um 200 Personen gesunken sei. Seit Juli 2002 seien auch Vereinfachungen in den Prozessen der Finanzbuchhaltung erfolgt. Nach allem sei ein freier geeigneter Arbeitsplatz, auf den die Beklagte den Kläger hätte versetzen können nachdem sich die Unwirksamkeit der ursprünglich erklärten Kündigung herausgestellt habe, nicht vorhanden gewesen.
Eine Sozialauswahl sei entfallen, weil der Kläger, der eine singuläre Funktion ausgeübt habe, mit niemandem sozial vergleichbar sei. Insbesondere entfalle eine soziale Vergleichbarkeit mit Frau V, weil der Kläger nicht auf der gleichen hierarchischen Ebene wie diese beschäftigt sei und auch sein Jahresbruttoverdienst um mehr als 8.000,00 EUR über dem von Frau V gelegen habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber frei über das Anforderungsprofil für eine Stelle entscheiden könne und das Unternehmen sich entschlossen habe, auf Sachbearbeitungsebene generell keine Mitarbeiter mit der Ausbildung zum Diplom-Kaufmann mehr zu beschäftigen. Außerdem sei die Kündigung vor dem Hintergrund des Abbaus einer Hierarchieebene gerechtfertigt. Schließlich stützt die Beklagte den Auflösungsantrag wie bereits erstinstanzlich auf den Vortrag des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit sowie auf sein prozessuales Verhalten, wonach er die Beklagte mit unbegründeten Klagen überziehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.09.2004 – 19 Ca 3204/04 – abzuändern und die Klage abzuweisen;
hilfsweise das zwischen den Parteien...