Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialauswahl. Vergleichbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ob ein Arbeitnehmer den tätigkeitsbezogenen Anforderungen des fortbestehenden Arbeitsplatzes gewachsen ist, ist durch einen Vergleich zwischen dem Anforderungsprofil des fortbestehenden Arbeitsplatzes und dem Eignungsprofil des unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmers zu ermitteln. Danach setzt die Vergleichbarkeit voraus, dass der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion des anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann, was nicht nur bei identischen Tätigkeiten der Fall ist, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann. In diesem Zusammenhang ist eine Austauschbarkeit nur anzunehmen, wenn aufgrund der fachlichen Qualifikation des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers oder aufgrund der Art des Arbeitsplatzes eine alsbaldige personelle Einsetzbarkeit nach einer relativ kurzen Einarbeitungszeit gegeben ist. Eine Austauschbarkeit entfällt bei einer nicht unerheblichen Einarbeitungszeit. In diesem Zusammenhang ist ein rein arbeitsplatzbezogener „Routinevorsprung” nicht von Bedeutung. Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der beruflichen Vorbildung und dem Lebensalter des Arbeitnehmers.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 15.04.2003; Aktenzeichen 8 Ca 4260/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.04.2003 – 8 Ca 4260/01 – abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 30.11.2001 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.04.2002 aufgelöst hat.
2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt, die erstinstanzlichen Kosten trägt der Kläger zu 1/4, die Beklagte zu ¾.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der im Jahre 1966 geborene, ledige Kläger ist seit dem 01.01.1988 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Abonnementverwaltung beschäftigt. Er bezog zuletzt Vergütung nach der Tarifgruppe IV mit einer monatlichen Vergütung von rund 4.650,00 DM im November 2001. Nach dem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 13.07.1988 (Bl. 184, 185 d. A.) bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass er im Angestelltenverhältnis bei ihr beschäftigt werde.
Nach dem Besuch der Hauptschule hat der Kläger eine Ausbildung als Gärtner absolviert. Er bildete sich dann durch einen einjährigen Besuch an einer technischen Fachoberschule im Land- und Gartenbau weiter, bis er dann ab dem 01.01.1988 bei der Beklagten eingetreten ist. Seit seiner Tätigkeit bei der Beklagten hat sich der Kläger in zahlreichen Kursen, insbesondere an der Volkshochschule weitergebildet, speziell im Bereich Lohnbuchhaltung und in PC-Schulungen. In diesem Zusammenhang absolvierte der Kläger erfolgreich eine Ausbildung zum Industriefachwirt in der Zeit vom 02.11.1993 bis zum 31.10.1995 bei der IHK Koblenz. Desweiteren nahm der Kläger an insgesamt 6 Schulungen im PC-Bereich teil. Bei seinen unterschiedlich verrichteten Tätigkeiten bei der Beklagten hatte der Kläger jeweils unterschiedliche PC-Kenntnisse anzuwenden. So war der Kläger z. B. auch Mitglied im Projektteam SAP-Einführung und hat in diesem Zusammenhang zumindest an einer mehrtägigen Schulung in Wien teilgenommen.
Ab dem 01.04.2001 wurde der Kläger dann in den Bereich Abonnementverwaltung umgesetzt.
Die Beklagte hat beschlossen, diesen Bereich, in dem insgesamt 19 Arbeitnehmer eingesetzt waren, ab Januar 2002 schrittweise zu schließen. Die komplette Schließung war bis zum 30.04.2002 abgeschlossen.
Die Beklagte hat 17 Arbeitnehmern der Abonnementverwaltung im Hinblick auf die ins Auge gefasste Schließung dieser Abteilung das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen gekündigt; unter diesen Arbeitnehmern befindet sich auch der Kläger. Die in diesem Zusammenhang ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen betrafen ausschließlich Mitarbeiter dieser Abonnementverwaltung. Unter den nicht gekündigten Arbeitnehmern befinden sich unter anderem die in anderen Bereichen eingesetzten Mitarbeiterinnen Frau A. und Frau K. sowie Herr Z. und Herr W.. Diese Mitarbeiter haben – im Gegensatz zum Kläger – jeweils den Beruf eines Verlagskaufmanns erlernt. Frau A. war im Kündigungszeitpunkt des Klägers 11 Jahre im Betrieb und 30 Jahre alt, Frau Kaiser war 40 Jahre alt, 10 Jahre im Betrieb, sie ist geschieden und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Herr Z. war im Kündigungszeitpunkt des Klägers rund 25 Jahre alt und drei Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Er ist verantwortlich für die Systemadministration SAP und beherrscht die Programmiersprache ABAP. Er ist der Unternehmenskoordina...