Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer tariflich unkündbaren Arbeitnehmerin wegen einer Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person können geeignet sein, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein wichtiger Grund kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist.
2. Gegen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kann die relativ kurze Dauer der Arbeitsunfähigkeit zwischen dem Beginn der Erkrankung und dem Aussprich der Kündigung sowie die geringe Höhe der in dieser Zeit geleisteten Entgeltfortzahlung sprechen.
3. In der Interessenabwägung sind vom Arbeitnehmer angebotene Maßnahmen - die nach § 84 Abs. 2 SGB IX zu beachten gewesen wären - zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu beachten.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; MTV Post § 34
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 15.12.2014; Aktenzeichen 1 Ca 3079/14) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 - 1 Ca 3079/14 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Erkrankung der tariflich unkündbaren Klägerin.
Die Klägerin - Jahrgang 1959 - ist seit 1996 bei der Beklagten als Briefzustellerin mit einem Monatsbruttolohn von 3.200,00 Euro beschäftigt. Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Dienstleitungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Zustellung von Paket- und Briefsendungen. Die Klägerin war in der Vergangenheit auch als Verteilkraft, im Fahrdienst und zuletzt in der Zustellung tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der D P AG (MTV) Anwendung. Er enthält in § 34 MTV einen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, die nach der Vollendung des 50. Lebensjahres eine Postdienstzeit von 15 Jahren vollendet haben. Sie können nach § 34 Abs. 2 MTV nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Am 20. August 2012 erkrankte die Klägerin mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit. Am 9. Oktober 2012 wurde sie am linken Zeh operiert. In einem Personalgespräch im November 2012 teilte sie mit, weitere operative Eingriffe seien erforderlich. Ein solcher Eingriff erfolgte im Januar 2013.
Bei betriebsärztlichen Untersuchungen im März und Juni 2013 wurde festgestellt, dass die Klägerin nicht ausreichend belastbar sei. In einem Personalgespräch am 26. August 2013 konnte die Klägerin keine Angabe über die Wiederherstellung ihres Gesundheitszustands machen.
Bei einer weiteren betriebsärztlichen Untersuchung am 27. November 2013 stellte der Betriebsarzt fest, dass gegen den Einsatz der Klägerin in der Briefzustellung oder ähnliche Tätigkeiten im Kernbereich des einfachen Dienstes dauernde gesundheitliche Bedenken bestünden.
Die Klägerin stimmte am 4. Januar 2014 der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu. In dem Eingliederungsgespräch am 10. Januar 2014 schilderte sie ihren Gesundheitszustand. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der betriebsärztlichen Untersuchung teilte ihr der Abteilungsleiter Personal mit, dass keine alternativen leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden. Dann wurde eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses besprochen.
Am 14. Februar 2014 - nach dem Ende des Krankgeldbezugszeitraums - legte die Klägerin eine Erklärung ihres behandelnden Arztes vor, der Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben vorschlug. Täglich könne sie fünf Stunden mit leichter Tätigkeit arbeiten.
Unter dem 14. März 2014 hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin mit sozialer Auslauffrist an. Darin schilderte sie die Krankheitsgeschichte und die betriebsärztlichen Untersuchungen. Im Schreiben vom 19. März 2014 teilte der Betriebsrat mit, dass er der außerordentlichen Kündigung nicht zustimme. Dabei bezog er sich auf die Bereitschaft der Klägerin, einen Arbeitsversuch im Rahmen einer Wiedereingliederung zu unternehmen. Am 27. März 2014 sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist aus.
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung. Sie hat behauptet, in dem Gespräch am 10. Januar 2014 seien keine möglichen Aktivitäten zu einer Verbesserung des Gesundheitszustands erörtert worden. Sie habe mehrfach darauf hingewiesen dass sie ggf. ihre alte Tätigkeit nicht mehr in vollem Umfang wieder aufnehmen könne, aber bereit sei, die der Beklagten zur Verfügung stehenden anderen Arbeitsbereiche - auch in Vollzeit - abzudecken. In einem Schreiben vom 12. Februar 2014 habe sie der Beklagten mitgeteilt, ab dem 18. Februar 2014 wieder in der Lage zu sein, ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen.
Di...