Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung. Gefahrguttransportfahrer. Alkohol

 

Leitsatz (amtlich)

Das Fahren eines Gefahrguttransporters mit mehr als 0 Promille Blutalkohol kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. In die Abwägung aufzunehmen ist das Maß der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, die Möglichkeit einer zukünftigen effektiven Kontrolle des Fahrers, insbesondere ob eine Verheimlichung und Verharmlosung auf eine fehlende Einsicht schließen lassen sowie auch, welche Auswirkungen die Weiterbeschäftigung auf die Arbeitsmoral im gesamten Fahrerbereich hat.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 25.11.2009; Aktenzeichen 3 Ca 1611/09)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2009 wird auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert:

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte weitere 1.104,48 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 17.09.2009 zu zahlen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 12.02.2009, um die Vergütungszahlung für den Monat Februar 2009, die Rückzahlung des Weihnachtsgeldes aus dem Jahr 2008 und um die Zahlung einer Vertragsstrafe.

Der Kläger, geboren am 06.03.1952, war bei der Beklagten am 01.11.1995 als Berufskraftfahrer eingestellt worden. Als solcher führte er für die Beklagte Gefahrguttransporte durch. Zusätzlich war er zum Gefahrengutbeauftragten bestellt worden. Seine Berufsbezeichnung gibt der Kläger mit „Kraftverkehrsmeister” an.

Der Kläger erhielt eine Grundvergütung von 2.208,96 EUR. Aufgrund von Zulagen und Pauschalen bezog er eine monatliche Durchschnittsvergütung von 3.347,00 EUR. Der Kläger ist zu 30 % erwerbsgemindert. Eine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (Grad einer Behinderung von mindestens 50 %) war zum Kündigungszeitpunkt nicht nachgewiesen. Unter dem 10.02.2009 erteilte der zur beabsichtigten Kündigung angehörte Landschaftsverband Rheinland ein sogenanntes Negativattest.

Durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme ist die Anwendung des Bezirksmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung vereinbart worden. § 10 MTV regelt zur Jahressonderzahlung Folgendes:

Die Jahressonderzahlung ist zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis bis zum 31.03. des folgenden Kalenderjahres endet; das gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aus betrieblich bedingten Gründen durch den Arbeitgeber gekündigt worden ist.

Im Arbeitsvertrag der Parteien findet sich unter § 10 c folgende Regelung zur Rückzahlung einer Weihnachtsgratifikation:

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die Weihnachtsgratifikation zurückzuzahlen, wenn er vor dem 31.03. des der Auszahlung nachfolgenden Kalenderjahres ausscheidet, es sei denn die Gratifikation beträgt nicht mehr als 200,00 DM oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist vom Arbeitgeber durch Befristung oder betriebsbedingte Kündigung veranlasst.

Unter § 22 des Arbeitsvertrages ist folgende Vertragsstrafenregelung vereinbart:

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer seinen Dienst schuldhaft nicht zum vereinbarten Termin antritt oder das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist rechtswidrig vorzeitig beendet, hat er an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens zu zahlen. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens fristlos entlassen wird oder wenn der Arbeitnehmer gegen seine gesetzliche oder vertragliche Geheimhaltungsverpflichtung verstößt.

Am Donnerstag, den 05.02.2009 nahm der Kläger gegen 06.05 Uhr die Arbeit auf. Er übernahm einen LKW, mit dem er auf dem Gelände des B.-W. in L. bei der Firma L. Natronlauge lud. Er kehrt gegen 09:00 Uhr mit dieser Ladung zum Betriebsgelände zurück. Bei seiner Rückkehr registrierte der Fuhrparkmeister, der Zeuge A. H., einen Atemgeruch des Klägers, den er als Alkoholgeruch einordnete. Er zog daraufhin den Zeugen P. B. (Fahrtrainer) hinzu, der denselben Geruch wahrnahm und ihn ebenfalls als Alkoholgeruch einordnete. Darauf wurde der Kläger zu einem Personalgespräch in die Personalabteilung gebeten, das der Personalleiter Herr F führte. Auch Herr F nahm wahr, dass die Atemluft des Klägers einen deutlich wahrnehmbaren Geruch hatte, den er als Alkoholgeruch einordnete. An dem folgenden Personalgespräch nahmen sodann der Kläger Herr H und Herr F teil.

Zum damaligen Zeitpunkt galt die Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE), nach deren § 9 Abs. 11 Nr. 18 die Fahrt mit einem Gefahrguttransporter unter der Einwirkung von alkoholischen Getränken oder anderen die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigenden Mitteln verboten ist (0,0 Promillegrenze). Nach § 10 Nr. 15 Buchstabe o) ist die Zuwiderhandlung eine Ordnungswidrigkeit. Zudem gilt im Betrieb der Beklagten aufgrund einer mitbe...

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