Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeit. betriebliche Gründe. freie Unternehmerentscheidung. Organisationsentscheidung des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers auf entgegenstehende betriebliche Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG, ist er insoweit darlegungs- und beweispflichtig.
2. Mit dem Begriff der betrieblichen Gründe sollen unzumutbare Anforderungen an die Ablehnung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden. Es genügen rationale, nachvollziehbare Gründe.
3. Allein die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, Arbeitsaufgaben nicht durch Arbeitnehmer in Teilzeit wahrnehmen zu lassen, reicht zur Darlegung betrieblicher Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG nicht aus, da ansonsten der gesetzliche Teilzeitanspruch vollständig entwertet würde. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Abgrenzung der freien Unternehmerentscheidung im Kündigungsrecht (BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 141/99; NZA 1999, 1098, 1100) muss der Arbeitgeber bei der alleinigen Berufung auf seine Organisationsentscheidung vielmehr zusätzlich eine stimmige, plausible und damit nachvollziehbare Begründung für das seiner Organisationsentscheidung zugrundeliegende Konzept darlegen, wonach er in bestimmten Betriebsbereichen oder sogar im gesamten Betrieb ausschließlich Vollzeitarbeitsplätze einrichtet.
4. Übliche Belastungen, die mit der Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes verbunden sind, stellen regelmäßig keinen hinreichenden Grund zur Ablehnung eines Teilzeitbegehrens nach § 8 TzBfG dar.
Normenkette
TzBfG § 8
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 11.06.2002; Aktenzeichen 1 Ca 6132/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.06.2002 – 1 Ca 6132/01 h – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine hälftige Reduzierung ihrer regelmäßigen Arbeitszeit.
Die am 15.10.1969 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 04.07.1990 bei der Beklagten als Arbeiterin in der Endmontage beschäftigt. Ihr durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden zuletzt 1.817,64 EUR. Bei der Beklagten handelt sich um ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie mit Hauptsitz in R, das in dem H Betrieb im Februar 2002 154 gewerbliche Arbeitnehmer und 25 Angestellte beschäftigte.
Der Ehemann der Klägerin ist berufstätig. Die Klägerin ist Mutter eines am 23.12.1998 geborenen Kindes, das von ihr betreut und versorgt wird. Vom 23.12.1998 bis 22.12.2001 befand sich die Klägerin in Elternzeit. Bis zur Geburt des Kindes arbeitete sie zuletzt montags bis donnerstags von 07:30 Uhr bis 15:45 Uhr sowie freitags von 07:30 Uhr bis 12:30 Uhr.
Am 13.11.2001 fand zwischen der Klägerin und dem Personalleiter der Beklagten unter Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden ein Gespräch statt, in dem die Klägerin einen Anspruch nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit um 50 % geltend machte. Mit Schreiben vom 22.11.2001 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung unter Berufung auf „organisatorische und betriebliche Ablaufgründe” ab. In dem hierauf von der Klägerin zur vorläufigen Durchsetzung ihrer Teilzeitbeschäftigung angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren erklärte ihr Prozessbevollmächtigter im Termin vom 08.01.2002, dass hilfsweise eine Teilzeitbeschäftigung „ab jetzt in drei Monaten halbtags, beginnend täglich ab 07:00 Uhr morgens” geltend gemacht werde. Dies lehnte die Beklagte am 07.02.2002 schriftlich ab.
Mit ihrer am 17.12.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu der von ihr begehrten Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit geltend. Sie hat behauptet, sie habe sich bereits im Juni/Juli 2001 an den Personalleiter der Beklagten mit dem Begehren gewandt, ihr Arbeitsverhältnis ab dem 23.12.2001 im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 17,5 Stunden fortzusetzen. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, der Arbeitszeitreduzierung stünden keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG entgegen und die Beklagte sei jedenfalls verpflichtet, sie spätestens ab dem 14.02.2002 zu den von ihr angestrebten Arbeitszeiten zu beschäftigen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der von der Klägerin begehrten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit auf wöchentlich 17,5 Stunden montags bis donnerstags von 07:00 Uhr bis 11:00 Uhr, einschließlich einer fünfzehnminütigen Pause sowie freitags von 07:00 Uhr bis 09:30 Uhr ohne Pause mit Wirkung ab dem 14.02.2002 zuzustimmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zunächst die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, da der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer im Teilzeit- und Befristungsgesetz anders als im Bundeserzieh...