Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass eines Urteils nach Lage der Akten nach Durchführung lediglich eines Gütetermins. Notwendigkeit der Aufhebung und Zurückverweisung in der Berufungsinstanz
Leitsatz (amtlich)
1. Der Erlass eines Urteils nach Aktenlage ist unzulässig, wenn der mündlichen Verhandlung, in der die klägerische Partei säumig war, lediglich ein Gütetermin vorausgegangen ist, in dem keine Sachanträge gestellt wurden.
2. In einer unzulässigen Entscheidung nach Lage der Akten liegt kein Verfahrensmangel, der nicht in zweiter Instanz zu beheben wäre, so dass eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht nicht in Betracht kommt (entgegen LAG Hamm, Urteil vom 20.07.2011 - 2 Sa 422/11).
3. Einzelfallentscheidung zum Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung (im vorliegenden Fall verneint).
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung in Annahmeverzug geraten, so muss er, um den Annahmeverzug zu beenden, den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Dies gilt auch nach Erledigung des Kündigungsrechtsstreits.
2. Nimmt der Arbeitnehmer die Arbeit trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder auf, so endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers, weil dann regelmäßig vom Fehlen des Leistungswillens des Arbeitnehmers auszugehen ist.
3. Hat der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung fälligen Lohns nicht erfüllt, so steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung gemäß § 273 BGB zu. Jedoch verbietet der Grundsatz von Treu und Glauben es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruchs zurückzuhalten. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber fällige Zinsen auf die Arbeitsvergütung noch nicht entrichtet hat, dieser aber ein Monatsgehalt nicht übersteigen.
Normenkette
ZPO § 331a; ArbGG § 68; BGB § 273 Abs. 1; ZPO § 251a
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 26.10.2016; Aktenzeichen 2 Ca 3372/16) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil desArbeitsgerichts Köln vom 26.10.2016- 2 Ca 3372/16 - wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Weiterbeschäftigung.
Die am 19.10.1959 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 01.09.2006 als Verkäuferin in Teilzeit (18 Wochenstunden) tätig. Sie erzielte zuletzt ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.014,00 EUR brutto. Im Arbeitsvertrag (Blatt 3 bis 7 der Akte) sind die gesetzlichen Kündigungsfristen vereinbart. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.
Zwischen den Parteien wurden mehrere Vorprozesse geführt. In dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Köln (3 Ca 2325/12) wandte sich die Klägerin erfolgreich gegen eine Kündigung der Beklagten vom 28.02.2012 und nahm nach Rechtskraft des die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteils am 12.12.2012 ihre Tätigkeit bei der Beklagten wieder auf. Ein weiterer Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Köln (16 Ca 6074/13) hatte eine ordentliche Kündigung vom 11.07.2013 und eine fristlose Kündigung vom 02.09.2013 zum Gegenstand. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 17.12.2013 die Unwirksamkeit beider Kündigungen fest. Das Landesarbeitsgericht Köln (10 Sa 435/14) wies die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Urteil vom 11.09.2015 zurück. In dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Köln (2 Ca 9076/15) machte die Klägerin entsprechende Verzugslohnansprüche nebst Zinsen ab September 2013 geltend.
Mit Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28.10.2015 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihre Tätigkeit in der Filiale K zu im Übrigen unveränderten Vertragsbedingungen ab dem 18.11.2015 wieder aufzunehmen und teilte mit weiterem Schreiben vom 02.11.2015 die konkreten Einsatzzeiten mit. Wegen der Einzelheiten der Schreiben wird auf Blatt 82 bis 84 der Akte Bezug genommen.
Im Antwortschreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 04.11.2015 heißt es auszugsweise wie folgt:
"(...) Außerdem nehme ich Bezug auf mein Schreiben vom 16.09.2015, in dem die seit Ausspruch der fristlosen Kündigung im September 2013 fällig gewordenen Verzugslohnansprüche beziffert worden sind. Eine Abrechnung, geschweige denn Zahlung, konnte hier bisher nicht verzeichnet werden (...). Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass meine Mandantin angesichts der Höhe der Verzugslohnforderung ihre Arbeitsleistung erst dann erbringen kann, wenn die Forderung vollständig erfüllt ist."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 04.11.2015 wird auf Blatt 85 und 86 der Akte Bezug genommen.
Mit email vom 18.11.2015 (Blatt 210 der Akte) teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter anderem Folgendes mit:
"(...) Der Vorwurf, meine Mandantin habe ohne Ankündigung die Arbeitsleistung nicht aufgenommen, ist haltlos (...). Ich habe für sie das Zurü...