Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Stellenbewerbers. Anschein des § 22 AGG bei Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz. Pflicht zum Gegenbeweis nach AGG für den Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Stellenbewerbers - Einzelfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3000 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG, weil er nicht dadurch kausal benachteiligt wurde, dass er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
2. Der Verstoß gegen die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers nach § 165 Abs. 3 SGB IX ist grundsätzlich geeignet, den Anschein nach § 22 AGG zu erwecken. Den Gegenbeweis muss dann der Arbeitgeber führen.
Normenkette
AGG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2; ArbGG § 12a Abs. 1; SGB IX § 165 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 05.11.2020; Aktenzeichen 14 Ca 1497/20) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.11.2020 - 14 Ca 1497/20 - abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des schwerbehinderten Klägers wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung anlässlich einer Stellenbewerbung.
Wegen des gesamten erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 05.11.2020 Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 3.000,00 EUR nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG verstoßen. Wegen der unterbliebenen Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch lägen hinreichende Indizien vor, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten ließen. Die so gegebene Vermutung der Kausalität der Behinderung habe die Beklagte nicht widerlegt. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten sei bis zuletzt nicht hinreichend substantiiert gewesen. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 84 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 17.11.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.12.2020 Berufung eingelegt und hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 01.03.2021 begründet.
Die Beklagte trägt vor, sie habe die streitbefangene Stelle jeweils in den beiden Onlineportalen "S " und "K " ausgeschrieben. Vorgesehen gewesen sei hierfür bei S der Zeitraum vom 24.10.2019 bis 23.11.2019 und bei K der Zeitraum vom 28.10.2019 bis 27.11.2019. Die Personalentscheidung habe jedenfalls im alten Jahr noch getroffen werden sollen. Am 07.11.2019 habe sich herausgestellt, dass die Anzeige bei S wider Erwarten noch nicht veröffentlicht gewesen sei. Dies sei sodann unmittelbar veranlasst worden, woraufhin die Laufzeit der Veröffentlichung dort - anders als ursprünglich geplant - vom 07.11.2019 bis 07.12.2019 betragen habe.
Die Beklagte trägt weiter vor, dass auf die Ausschreibungen in kurzer Zeit viele Bewerbungen erfolgt seien. Daher habe sie sich entschieden, das Bewerbungsverfahren bereits am 21.11.2019 zu schließen. Danach seien keine Bewerbungen mehr berücksichtigt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten bereits 39 Bewerbungen vorgelegen. Noch am 21.11.2019 seien von diesen Bewerbern vier Personen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden, darunter auch der jetzige Stelleninhaber. Nach dem 21.11.2019 seien weitere 17 Bewerbungen eingegangen, die alle unterschiedslos mit identischem "Halteschreiben", das auch der Kläger erhalten habe, "abgesagt" worden seien. Bei diesem Sachverhalt sei die unterbliebene Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch nicht diskriminatorisch.
Grund für die Schließung des Bewerberpools am 21.11.2019 sei gewesen, dass die kritische Belastungsgrenze für die Kammer erreicht gewesen sei und das Verfahren noch im Jahr 2019 habe abgeschlossen werden sollen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln - Az 14 Ca 1497/20 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger rügt zunächst, dass die Beklagte mit sämtlichem neuen Sachvortrag zum konkreten Umfang des Bewerbungsverfahrens in der Berufungsinstanz nach § 67 ArbGG präkludiert sei.
Im Weiteren bestreitet der Kläger mit Nichtwissen, dass geplant gewesen sei, das Bewerbungsverfahren im Jahr 2019 abzuschließen und dass der eingestellte Bewerber noch im Jahr 2019 seine Tätigkeit aufgenommen habe. Gleiches gilt für die beklagtenseits behauptete Schließung des Bewerberpools zum 21.11.2019 und die Anzahl der danach noch eingegangenen Bewerbungen.
Der Kläger wendet weiter ein, dass die Beklagte nach ihrem ei...