Entscheidungsstichwort (Thema)

Untersuchung durch Amtsarzt. Abmahnung. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Weigerung des Arbeitnehmers, an einer nach § 3 Abs. 5 TV-L zulässigerweise angeordneten ärztlichen Untersuchung mitzuwirken, stellt die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar, die bei entsprechender Beharrlichkeit nach vorheriger einschlägiger Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen kann.

 

Normenkette

BGB § 626; TV-L § 3 Abs. 5; BAT § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 11.10.2007; Aktenzeichen 1 Ca 2731/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.10.2007 – 1 Ca 2731/07 – teilweise abgeändert und weiter festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 16.05.2007 mit sozialer Auslauffrist nicht zum 31.12.2007 beendet worden ist.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist sowie über die Verpflichtung der Klägerin arbeitsmedizinische Untersuchungen durchführen zu lassen.

Die im April 1949 geborene Klägerin ist seit dem 31.01.1989 bei der Beklagten als Fotolaborantin in Teilzeit mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 1.500,00 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

Die Klägerin war im Jahr 2002 an 76 Arbeitstagen, im Jahr 2003 an 66 Arbeitstagen, im Jahr 2004 an 81 Arbeitstagen, im Jahr 2005 an 182 Arbeitstagen sowie im Jahr 2006 an 19o Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte forderte die Klägerin mehrfach vergeblich auf, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Den ersten, für den 16.11.2005 vorgesehenen Termin sagte die Klägerin am gleichen Tag schriftlich ab. Zum nächsten Termin am 15.02.2006 erschien sie zwar, verweigerte jedoch die Untersuchung. Weitere Untersuchungstermine am 08.11.2006 und 06.12.2006 lehnte die Klägerin jeweils ab und blieb den Terminen fern.

Mit Schreiben vom 28.06.2007 forderte das Zentrum für Arbeitsmedizin die Klägerin auf, am 09.03.2007 einen Untersuchungstermin wahrzunehmen. Zur Vorbereitung dieses Termins lud die Beklagte die Klägerin am 07.03.2007 zu einem Personalgespräch mit der Leiterin der Personalabteilung. Dieses Gespräch brach die Klägerin bereits zu Beginn aufgrund psychischer Belastungen ab und wies gleichzeitig darauf hin, dass sie keinesfalls zum Vertrauensarzt gehen könne. Seit dem Folgetag ist die Klägerin dauerhaft arbeitsunfähig krank. Die für den 09.03.2007 vorgesehene Untersuchung wurde nicht durchgeführt.

Mit ihrer am 30.03.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte die Klägerin zunächst die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, arbeitsmedizinische Untersuchungen durchführen zu lassen. Im Hinblick auf die von der Klägerin nicht wahrgenommenen Untersuchungstermine mahnte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 23.04.2007 wegen mehrfachen und hartnäckigen Verstoßes gegen die Pflicht gemäß § 7 Abs. 2 BAT bzw. § 3 Abs. 5 TV-L ab. Am 07.05.2007 nahm die Klägerin einen weiteren Untersuchungstermin nicht wahr.

Mit Schreiben vom 10.05.2007 hörte die Beklagte den Personalrat zur „fristlosen bzw. hilfsweise außerordentlichen, personenbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist” an. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten Kündigung am 15.05.2007 zu. Mit Schreiben vom 16.05.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2007. Mit ihrer Klageerweiterung vom 29.05.2007 wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Sie hat gemeint, sie sei nicht verpflichtet, sich einer arbeitsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen. Wie sich aus einem ärztlichen Gutachten vom 08.07.1998 ergebe, leide sie unter einem psychischen Grundleiden. Dieses könne bei Stressbelastung insbesondere am Arbeitsplatz zu psychischen Ausnahmesituationen führen. Die Anordnung von vertrauensärztlichen Untersuchungen bringe sie in eine unauflösliche Konfliktlage.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, arbeitsmedizinische Untersuchungen durchführen zu lassen;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 16.05.2007 nicht beendet worden ist;
  3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht zum 31.12.2007 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Klägerin sei nach § 2 Abs. 5 TV-L verpflichtet, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Hierfür bestehe aufgrund der hohen Fehlzeiten der Klägerin auch eine begründete Veran...

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