Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kürzung einer irrtümlich zu hoch berechneten Betriebsrente
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Kürzung einer Betriebsrente, die nach dem letzten Diensteinkommen und der Zahl der tatsächlich zurückgelegten Dienstjahre berechnet wird, bei Inanspruchnahme vor der festen Altersgrenze (hier: Vollendung des 65. Lebensjahres) nach § 2 Abs. 1 BetrAVG (abweichend von LAG Köln, Urteil vom 3. August 2011 – 3 Sa 1301/10 -).
2. Keine Verwirkung des Kürzungsrechts bei jahrelanger Gewährung der ungekürzten Rente aufgrund Irrtums (Anschluss an LAG Köln, Urteil vom 3. August 2011 – 3 Sa 1301/10 –).
Leitsatz (redaktionell)
Ein früherer Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Fortzahlung einer irrtümlich zu hoch berechneten Betriebsrente. Insbesondere besteht kein besonderer Bestands- oder Vertrauensschutz in eine unveränderte Gewährung der Betriebsrente entsprechend der ursprünglichen Berechnung.
Normenkette
BetrAVG § 6
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 16.09.2010; Aktenzeichen 6 Ca 11586/09) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.09.2010 – 6 Ca 11586/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der chemischen Industrie. Sie gehörte zu den großen K Chemiefirmen und beschäftigte seinerzeit weit über 1.000 Mitarbeiter. Im Laufe der Jahre wurden die Produktionsanlagen wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt. Seit der letzten Stilllegung im Jahr 1994 führt die Beklagte nur noch das frühere Chemikalien-Handelsgeschäft mit zuletzt5 Mitarbeitern weiter. Daneben besteht die wesentliche Aufgabe der Beklagten darin, die Versorgungszusagen der aktuell über 1.000 Betriebsrentner zu gewährleisten.
Der am 1926 geborene Kläger war seit dem 31. August 1951 als Tarif-Angestellter bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 1987 zum 30. April 1987, nachdem er zuvor als Schwerbehinderter anerkannt worden war. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens war der Kläger 60 Jahre und 7 Monate alt. Seit dem 1. Mai 1987 bezieht der Kläger gesetzliche Altersrente. Ebenfalls seit diesem Zeitpunkt zahlt die Beklagte an den Kläger eine Betriebsrente auf der Grundlage der Richtlinie für Betriebliche Altersversorgung für Arbeiter und Angestellte vom 6. Mai 1968 (Bl. 58 – 64 d. A.).
Darin ist u. a. bestimmt:
„Ziff. IV Voraussetzungen für die einzelnen Leistungsarten
Es wird gewährt …
1. Erwerbsunfähigkeitsrente..
2. Altersrente, wenn der Arbeiter oder Angestellte nach Vollendung seines 65. Lebensjahres aus unserem Unternehmen ausscheidet…
Ziff. VIII Höhe der Leistungen
B. Bei Angestellten
1a) Die Erwerbsunfähigkeits- und Altersrente beträgt bei Ablauf der Wartezeit monatlich 15 % des letzten Grundgehaltes und steigt für jedes nach Erfüllung der Wartezeit im Unternehmen abgeleistete anrechnungsfähige Dienstjahr um monatlich 1 % des letzten Grundgehaltes. Zum Grundgehalt rechnen auch die darüberhinausgehenden, regelmäßigen monatlichen Bezüge; jedoch nicht fallweise bezahlte Überstunden, Sondervergütungen, Abschlussvergütungen, Weihnachtsvergütungen und ähnliche nicht regelmäßige Bezüge.
…
2a) Die Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt: Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 65 % des letzten Grundgehalts. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,75 % bis höchstens 80 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversicherung beruhen, bleiben unberücksichtigt.
2b) Unabhängig von der Bestimmung in 2 a) wird die betriebliche Rente in jedem Fall mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1) ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt…“
Mit Schreiben vom 12. Dezember 1974 (Bl. 101 d. A.) bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass sich auch nach Inkrafttreten des BetrAVG seine Altersversorgung nach den Richtlinien vom 6. Mai 1968 richte.
Mit Aushang vom 10. Dezember 1986 (Bl. 100 d. A.) teilten die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat den Arbeitnehmern Folgendes mit:
„Die C F K G gewährt abweichend vom Wortlaut der Altersversorgungszusagen die Firmenrente auch schon vor dem Erreichen des 65. Lebensjahres ohne versicherungsmathematische Abschläge vorzunehmen. Aus diesem Grund werden die Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung in den Fassungen vom 6. Mai 1968 und 1. Januar 1974 wie folgt ergänzt:
IV. 2. Die Altersrente wird gezahlt, wenn der Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Dienstverhältnis mit der CFK ausscheidet. Sie wird auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vorher ausscheidet und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. In die...