Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung des Personalrates zur ordentlichen Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die gesetzliche Regelung in § 72 a LPVG NW, wonach die ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers der Zustimmung des Personalrates bedarf, ist nicht verfassungswidrig.
2. Eine einschränkende Auslegung, dass ein entsprechender Beschluss einer Einigungsstelle keinen entscheidenden, sondern nur empfehlenden Charakter hat, kommt nicht in Betracht.
3. Eine Änderung des Rechtszustandes liegt in der Kompetenz des zuständigen Gesetzgebers.
Normenkette
LPVG NW § 72a
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 21.10.2005; Aktenzeichen 5 Ca 4960/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.10.2005 – 5 Ca 4950/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer personenbedingten krankheitsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.
Die am 14.05.1965 geborene Klägerin ist seit dem 01.04.1989 bei der Beklagten als Politesse zu einem Bruttogehalt von zuletzt 1.500,00 EUR beschäftigt.
Nach dem bei der Klägerin ganz erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten aufgetreten waren, beantragte sie eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit mit Schreiben vom 28.05.2001 (Bl. 26 d. A.). Diese Stundenreduzierung genehmigte die Beklagte, ebenso die weiteren Anträge auf Stundenreduzierung, zuletzt mit Schreiben vom 13.06.2005, in dem befristet bis 31.12.2005 die Arbeitszeit der Klägerin auf 24 Stunden pro Woche festgesetzt wurde (Bl. 28 d. A.). Aufgrund vertrauensärztlicher Stellungnahmen vom 14.03.2003 (Bl. 32 d. A.) und 08.12.2004 (Bl. 33 d. A.) bat die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat mit Schreiben vom 19.01.2005 um Zustimmung zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung der Klägerin (Bl. 34 ff. d. A.). Der Personalrat stimmte der Kündigung nicht zu, da die behandelnden Ärzte von einer Besserung ausgingen (Schreiben vom 09.02.2005 Bl. 44 d. A.). In einem weiteren Schreiben vom 22.03.2005 wurde darauf hingewiesen, dass die Gutachten der behandelnden Ärzte eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und einen Rückgang der Ausfallzeiten prognostizierten, so dass im Kalenderjahr 2005 nur zwei krankheitsbedingte Ausfallzeiten angefallen seien (Bl. 45 d. A.).
Mit Antrag vom 14.04.2005 beantragt die Klägerin ihre Anerkennung als Schwerbehinderte (Eingangsbestätigung des Versorgungsamtes vom 15.04.2005 – Bl. 70 d. A.).
Aufgrund der Nichtzustimmung des Personalrats zur Kündigung rief die Beklagte die Einigungsstelle an. Diese fasste am 03.05.2005 den Beschluss, der Kündigung nicht zuzustimmen (Bl. 130 f. d. A.), weil die Negativprognose über den Krankheitsverlauf bei der Klägerin ungesichert sei, insbesondere im Hinblick auf die im Laufe des Jahres 2005 eingetretene Besserung und weil ein Präventionsgespräch, das den Anforderungen des § 84 Abs. 2 SGB IX entspreche, nicht in ausreichender Weise geführt worden sei. Diese Entscheidung der Einigungsstelle ließ die Beklagte nicht verwaltungsgerichtlich überprüfen.
Mit Schreiben vom 04.05.2005 (Bl. 3 d. A.), das der Klägerin am 06.05.2005 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2005.
Hiergegen richtete sich die am 24.05.2005 bei Gericht eingegangene Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 21.10.2005 (Bl. 81 ff. d. A.) stattgegeben und zur Begründung darauf abgestellt, dass die Beklagte nach § 72 a LPVG NW das Arbeitsverhältnis nur mit Zustimmung des Personalrats habe kündigen können. Die Vorschrift sei nicht verfassungswidrig, so dass der Beschluss der Einigungsstelle nicht nur empfehlenden Charakter habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Regelung des § 72 a LPVG NW verfassungswidrig sei. Die Regelung genüge den Anforderungen an die demokratische Legitimation von Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst nicht. Die Vorschrift könne in verfassungskonformer Weise nur in dem Sinne ausgelegt werden, dass der Beschluss der Einigungsstelle empfehlenden Charakter habe. Aus der Untätigkeit des Gesetzgebers über lange Jahre hinweg könne nicht geschlossen werden, dass diese gesetzliche Bestimmung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf den Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen berufen, denn nach § 90 Abs. 2 a SGB IX habe sie nicht rechtzeitig einen solchen Antrag gestellt.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 21.10.2005 – 5 Ca 4960/05 – die Klage der Klägerin abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin macht geltend, ihr gesundheitlicher Zustand habe sich verbessert, die Ausfallzeiten seien rückläufig. Die Grundlage für eine negative Prognose sei nicht mehr gegeben, es seien keine weiteren krankheitsbedingten Ausfälle in erheblichem Umfang zu erwarten. Die Klägerin könne sich auch, wenn sie ihr...