Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Arbeitszeitbetrug. Raucherpause. Auflösungsantrag. berechtigte Interessen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Erfordernis einer vorherigen Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung bei fehlendem Ausstempeln einer Raucherpause.

2. Das möglicherweise unzulässige Berufen auf den besonderen Kündigungsschutz für herangezogene Ersatzbetriebsratsmitglieder und die Behauptung, ein Vorgesetzter pflege in Stresssituationen aggressiv zu reagieren, Mitarbeiter anzuschreien und teilweise zu beleidigen, rechtfertigen nicht einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 17.09.2010; Aktenzeichen 5 Ca 602/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.09.2010 – 5 Ca 602/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten Kündigung vom 23. Dezember 2009 wegen fehlenden Ausstempelns einer Raucherpause, über einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits, über die Zahlung von Vergütung aus Annahmeverzug für die Monate Dezember 2009 bis einschließlich August 2010 sowie über einen Antrag der Beklagten auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger, geboren am …, ist seit dem 25. Juni 2002 als Rotationsmitarbeiter in der von der Betriebsvorgängerin der Beklagten und seit dem 1. Mai 2003 von der Beklagten betriebenen P H Filiale in K, S, aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 25. Juni 2002 und eines Änderungsvertrages vom 30. April 2004 zu einem Stundenlohn von derzeit EUR 7,97 beschäftigt.

In der genannten Filiale, in der etwa 50 Arbeitnehmer beschäftigt sind, davon 5 in der Küche, ist ein 3-köpfiger Betriebsrat gebildet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger als gewähltes Ersatzmitglied an Betriebsratssitzungen in einem gesetzlichen Verhinderungsfall teilgenommen hat.

Es gilt in der Filiale eine Betriebsvereinbarung vom 10. November 2009 über Grundsätze der Dienstplanerstellung und Arbeitszeiterfassung. In dieser Betriebsvereinbarung ist unter § 7 Pausenzeiten u. a. bestimmt, dass alle Pausen einschließlich Raucherpausen grundsätzlich auszustempeln sind.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte ab 5. Oktober 2009 durch einen von der Geschäftsführerin unterzeichneten Aushang am Schwarzen Brett und an der Tür des für Raucherpausen benutzten Hinterausgangs folgenden Hinweis gegeben hatte:

„Achtung – wir weisen aus gegebenem Anlass ausdrücklich darauf hin, dass jede Pause, auch Raucherpausen vorher auszustempeln sind. Wird dies unterlassen, wird dies als Arbeitszeitbetrug gewertet, der ohne vorherige Abmahnung eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.”

Mit Schreiben vom 17. Juli 2007 mahnte die Beklagte den Kläger ab mit der Begründung, er habe am 5. Juli 2007 sich um 25 Minuten zu früh bei einem Küchentraining eingestempelt. Mit Schreiben vom 30. August 2009 mahnte sie ihn mit der Begründung ab, er habe sich am 17. August 2009 mehrmals eigenmächtig von seinem Arbeitsplatz in der Küche entfernt und den Vorratskeller aufgesucht. Die letzte Abmahnung ist Gegenstand des Rechtsstreits – 5 Ca 10480/09 – Arbeitsgericht Köln – 9 Sa 82/11 – Landesarbeitsgericht Köln. In diesem Rechtsstreit ist die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers verurteilt worden. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist durch das Landesarbeitsgericht Köln zurückgewiesen worden.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und – hilfsweise – ordentlich.

Zuvor hatte sie mit Schreiben vom 19. Dezember 2009 den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen angehört. Zur Begründung führte sie aus, am 17. Dezember 2009 um 15.03 Uhr seien der Kläger und der Mitarbeiter A Z zur Ausgangstür gegangen, um zu rauchen. Da von ihnen die Frage der Assistent Restaurant Managerin Frau G, ob sie ausgestempelt hätten, nicht beantwortet worden sei, habe sie den Restaurantmanager Herrn P unterrichtet. Gegen 15.09 Uhr seien der Kläger und Herr S Z wieder zurückgekehrt, hätten sich erst dann ausgestempelt und im Restaurantbereich ein Getränk zubereitet. Danach hätten sie sich wieder eingestempelt, um sodann in der Küche wieder die Arbeit aufzunehmen. Der Kläger habe bewusst seine Zigarettenpause nicht verbucht, um diese Zeit vergütet zu erhalten. Es liege ein Arbeitszeitbetrug vor, der eine weitere einvernehmliche Zusammenarbeit nicht mehr ermögliche. Nach § 7 der geltenden Betriebsvereinbarung über Dienstplanerstellung und Arbeitszeiterfassung vom 10. November 2009 seien Pausenzeiten grundsätzlich auszustempeln.

Der Betriebsrat beschloss in einer Sitzung am 21. Dezember 2009, beiden Kündigungen zu widersprechen. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe glaubwürdig dargetan, dass er ordnungsgemäß ausgestempelt habe. Es stehe die Auss...

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