Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall einer krankheitsbedingten Kündigung sowohl wegen langandauernder Erkrankung, häufiger Kurzerkrankungen und Leistungsunmöglichkeit.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 28.05.2010; Aktenzeichen 1 Ca 9731/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.05.2010 – 1 Ca 9731/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung.
Der am 11.07.1959 geborene Kläger ist seit dem 21.04.1987 bei der Beklagten, die regelmäßig 88 Arbeitnehmer beschäftigt, als Staplerfahrer auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 19.10.1988 beschäftigt bei einem Bruttomonatsverdienst von 2.078,00 EUR. Er ist schwerbehindert mit einem GdB von 50 seit 11.03.2008.
Die Beklagte kündigte dem Kläger, nach Zustimmung durch das Integrationsamt mit Bescheid vom 17.09.2009, mit Schreiben von 28.09.2009 zum 30.04.2010. Der Betriebsrat wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 21.09.2009 angehört und hat der Kündigung zugestimmt.
Wegen des erstinstanzlichen Sachverhalts, einschließlich der gestellten Anträge, wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers stattgegeben. Auf das Urteil (Bl. 60 – 74 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiter der Auffassung ist, aufgrund der vorliegenden arbeitsmedizinischen Stellungnahmen ergebe sich, dass der Kläger wegen einer fortgeschrittenen degenerativen Lendenwirbelsäulenerkrankung mit starken chronischen Schmerzen nicht mehr in der Lage sei, seine bisher ausgeübte Tätigkeit fortzuführen. Dass der Kläger drei Monate vor dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 28.09.2009 keine krankheitsbedingten Fehlzeiten aufweise, sei unerheblich, da die Fehlzeiten der letzten drei Jahre vor Ausspruch der Kündigung so extrem hoch gewesen wären, dass eine negative Gesundheitsprogose gegeben sei. Maßgeblich für die Beurteilung der negativen Prognose sei der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, die spätere Entwicklung dürfe keine Berücksichtigung finden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag zu Recht stattgegeben. Die Kündigung der Beklagten vom 28.09.2009 zum 30.04.2010 ist sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1, 2 Satz 1 KSchG. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Das Berufungsgericht schließt sich in vollem Umfang den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Die Berufung enthält keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigt. Lediglich ergänzend zu den Gründen des erstinstanzlichen Urteils wird im Hinblick auf die Berufung festgestellt:
1. Die personenbedingte Kündigung der Beklagten bei Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, von der auch das Arbeitsgericht ausgeht, nach keiner der von der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen sozial gerechtfertigt. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung fehlt es an der erforderlichen negativen Gesundheitsprognose sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Kündigung wegen langandauernder Krankheit, einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen oder einer Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung.
2. Die richterliche Prüfung krankheitsbedingter Kündigungen erfolgt, wovon auch das Arbeitsgericht ausgeht, in drei Stufen Dabei ist mit dem Arbeitsgericht auf der ersten Stufe die Prüfung einer negativen Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich (vgl. etwa BAG 24.11.2005 – 2 AZR 514/0). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, hier also der 28.09.2009. Zu diesem Zeitpunkt muss die negative Prognose mit der erforderlichen Sicherheit gestellt werden können (vgl. etwa BAG 12.04.2002– 2 AZR 148/01). Dabei ist jedoch die spätere Entwicklung mit zu bewerten, soweit sie die Prognose im Kündigungszeitpunkt bestätigt (BAG 13.05.2004 – 2 AZR 36/04; 27.11.2003 – 2 AZR 48/03).
3. Eine Kündigung wegen langandauernder Erkrankung und darauf beruhender dauernder Leistungsunfähigkeit setzt für eine negative Prognose voraus, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung das Ende der Erkrankung nicht abzusehen ist und innerhalb des Prognosezeitraums mit einer Wiederherste...