Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zur Wirksamkeit einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, § 626
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 20.09.2023; Aktenzeichen 3 Ca 726/23) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 20.09.2023 - 3 Ca 726/23 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung. Auch nach Ablauf der sozialen Auslauffrist am 31.12.2023 wird der Kläger von der Beklagten weiter beschäftigt.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 20.09.2023 Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht, soweit in der Berufungsinstanz noch relevant, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.05.2023 nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlich ausgeführt, die durch die häufigen Kurzerkrankungen des Klägers voraussichtlich zu erwartenden Belastungen seien nicht ausreichend, um einen wichtigen Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Zudem würde auch eine Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten ausfallen. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils Bezug genommen. Gegen dieses ihr am 22.09.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.10.2023 (Montag) Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 22.12.2023, am 11.12.2023 begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe bei der zu Recht angenommenen negativen Gesundheitsprognose zu Unrecht die Meniskuserkrankung des Klägers unberücksichtigt gelassen. Denn es sei nicht auszuschließen, dass auch nach einer durchgeführten Operation Folge- und Langzeitschäden, die weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten begründen könnten, auftreten würden. Auf Grund der unzulässigen "Kürzung" der Grundlage für die negative Gesundheitsprognose habe das Arbeitsgericht fälschlicherweise angenommen, dass keine erhebliche Beeinträchtigung der Beklagten durch die häufigen Kurzerkrankungen des Klägers bestünde. Die Beklagte habe keineswegs für deutlich weniger als ein Drittel der Arbeitstage Entgeltfortzahlung leisten müssen; zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass durch die häufigen
Kurzerkrankungen des Klägers erhebliche Störungen im Betriebsablauf der Beklagten eingetreten und weiter zu besorgen seien.
Die Beklagte beantragt,
das am 20.09.2023 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - 3 Ca 726/23 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und macht geltend, es liege bereits keine negative Zukunftsprognose vor. Die im Jahr 2018 erlittene Meniskusverletzung sei nach einer 2021 durchgeführten Operation ebenso ausgeheilt wie die in der Vergangenheit aufgetretene Bandscheibenproblematik. Auch die Ursachen der aufgetretenen Migräneerkrankungen seien beseitigt, so dass mit weiteren erheblichen Ausfallzeiten nicht zu rechnen wäre. Des Weiteren bestehe kein gravierendes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, da der Kläger in den drei Jahren vor Ausspruch der Kündigung an insgesamt 760 Tagen Lohnfortzahlung erhalten habe. Dieses entspreche einem Prozentsatz von 27% und somit weniger als dem vom Bundesarbeitsgericht zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geforderten Wert von 33% jährlich. Auch außerordentliche Betriebsablaufstörungen seien bei der Beklagten durch die krankheitsbedingten Ausfallzeiten nicht begründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1, 46g ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffende Begründung im arbeitsgerichtlichen Urteil Bezug genommen. Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu nachfolgenden, kurzen, ergänzenden Ausführungen.
Das zwischen den Parteien begründete und ordentlich unkündbare Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist vom 10.05.2023 zum 31.12.2023 aufge...