Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungspflicht. faktischer GmbH-Geschäftsführer. Insolvenzverschleppung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Haftung eines faktischen GmbH-Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung.

2. Einer Vergütung, die das Gehalt eines angestellten Dachdeckermeisters mit Betriebsleiterfunktion um etwa 25 % übersteigt, steht eine gleichwertige Arbeitsleistung des faktischen Geschäftsführers gegenüber, wenn dieser den Dachdeckerbetrieb in kaufmännischer, finanzieller und technischer Hinsicht allein leitet und damit eine erheblich höhere Verantwortung als ein an Weisungen gebundener Betriebsleiter hat.

 

Normenkette

GmbHG § 64 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Teilurteil vom 30.09.2004; Aktenzeichen 22 Ca 4926/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.09.2004 – 22 Ca 4926/04 –, soweit es die Klage gegen den Beklagten zu 1 (H-PM) betrifft, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

  1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger EUR 57.724,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2004 zu zahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen.
  3. Dem Beklagten zu 1) wird vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche er als Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
  4. Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten bleibt dem Arbeitsgericht Köln vorbehalten.
  5. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.
  6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M Bedachungen G (im folgenden: Schuldnerin) den Beklagten als faktischen Geschäftsführer der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz von Gehältern in Anspruch, die sich der Beklagte nach Eintritt der Insolvenzreife ausgezahlt haben soll.

Der Beklagte war Geschäftsführer der H-P M G, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Gegen ihn wurde vom Amtsgericht Köln ein Strafbefehl wegen verschleppter Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft erlassen (AZ: 583 Cs 175/02).

Am 22. Februar 2002 erwarb auf Veranlassung des Beklagten seine am 13. Februar 1984 geborene Tochter, Frau A M, den ursprünglich auf DM 50.000,00 festgelegten Geschäftsanteil an der in Liquidation befindlichen R R – und A G aus dem Bezirk des Amtsgerichts H-S, zu einem Betrag in Höhe von EUR 2.560,00. Der Kaufpreis wurde mit Mitteln aus dem Privatvermögen des Beklagten beglichen. Zugleich wurde der Liquidationsbeschluss aufgehoben, das Stammkapital auf EUR 26.000,00 erhöht, die Ehefrau des Beklagten, Frau G M, zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt und die Gesellschaft in „M Bedachungen G” umfirmiert. Der Sitz der Gesellschaft wurde nach E bei K verlegt. Die Gesellschaft, deren Bilanz per 31. Dezember 2001 einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von DM 11.545,83 sowie Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in Höhe von DM 19.345,00 ausgewiesen hatte, wurde nicht mit Eigenkapital ausgestattet.

In der Folgezeit führte der Beklagte als faktischer Geschäftsführer die Schuldnerin, die sämtliche dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnenden Arbeiten übernahm. Er zahlte sich ab April 2002 bis einschließlich März 2003 monatlich EUR 4.810,26 brutto als Gehalt aus. Als es zu Streitigkeiten zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau kam, veranlasste er seine Tochter A M, sich auch als Geschäftsführerin zu bestellen.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2003 beantragte Frau A M als Geschäftsführerin der Schuldnerin beim Amtsgericht K die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. In dem Schreiben heißt es, nachdem der Beklagte mit seinem früheren Unternehmen im Jahr 2002 „Pleite gegangen sei” und gegen ihn durch rechtskräftigen Strafbefehl eine Geldstrafe wegen Insolvenzdelikten verhängt worden sei, habe er sie veranlasst, den Geschäftsanteil zu erwerben. Sie habe sich als Schülerin nicht um die Geschäfte gekümmert, sondern dies ihrem Vater überlassen, der von ihr in unregelmäßigen Abständen die Unterzeichnung von Schriftstücken verlangt habe. Nach der Trennung ihrer Eltern habe sie erfahren, dass sie als Geschäftsführerin eine Bilanz erstellen müsse. Sie habe damit einen Rechtsanwalt beauftragt, der ihr am 2. Juni 2003 die Bilanz für das Jahr 2002 vorgelegt habe. Er habe ihr mitgeteilt, die Gesellschaft sei überschuldet, sie müsse einen Insolvenzantrag stellen. Sie habe keinen Überblick über die derzeitigen Forderungen und Verbindlichkeiten der Schuldnerin, da der Beklagte, der ihr Hausverbot erteilt habe, im Besitz der Geschäftsunterlagen sei. Sie habe das Bankkonto gesperrt und alle – sechs – Mitarbeiter fristlos gekündigt.

Die beigefügte Bilanz für das Jahr 2002 (Bl. 219 – 220 d. A.) wies einen durch Eig...

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