Entscheidungsstichwort (Thema)

Übermittlung von Prozessunterlagen als elektronische Dokumente. Sicherer Übermittlungsweg für die Übermittlung elektronischer Dokumente. Dokumentenübermittlung nach den allgemeinen Regelungen. Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfallentscheidung zur fehlenden Darlegung einer technische Unmöglichkeit und Glaubhaftmachung bei einer Ersatzeinreichung nach § 46g ArbGG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 46g Satz 1 ArbGG sind seit dem 01.01.2022 vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln.

2. Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Für die Rechtsanwaltschaft ist als sogenannter sicherer Übermittlungsweg i.S.d. § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG nach § 31a BRAO das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingerichtet.

3. Die Übermittlung bleibt nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung unverzüglich glaubhaft zu machen.

4. Die Schilderung von Vorgängen durch einen Rechtsanwalt kann die mitgeteilten Tatsachen in gleicher Weise glaubhaft machen, wie dies sonst durch eine eidesstattliche Versicherung der Fall ist, wenn der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichert. Hierzu bedarf es aber jedenfalls einer Versicherung der Richtigkeit dieser Angaben.

5. Gemäß § 231 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden an der Einhaltung einer Frist verhindert war, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten wird der Partei gem. § 85 Abs. 2 zugerechnet.

 

Normenkette

ArbGG §§ 46g, 46c Abs. 4; BRAO § 31a; ZPO § 85 Abs. 2, § 231 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 21.10.2021; Aktenzeichen 7 Ca 543/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.10.2021 - 7 Ca 543/21 - wird als unzulässig verworfen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Berufung sowie in der Sache über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen und hieraus folgende Zahlungsansprüche.

Die Beklagte betreibt in N drei konzessionierte Spielbanken in D-H, B O und A. Der Kläger ist seit dem 01.08.1978 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.

Bei der Beklagten bestehen seit langer Zeit Haustarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied der Kläger jedenfalls bis nach dem Abschluss der hier streitgegenständlichen Tarifverträge vom 09.11.2020 war.

In den Jahren 2012 und 2013 wurden zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di neue Haustarifverträge abgeschlossen. Auf dieser Grundlage berechnete die Beklagte stets das Grundgehalt (77% des Tabellenentgelts) sowie auf dieser Basis die Zuschläge bis zu einer Höhe von 23% des Tabellenentgelts ab. Fielen Zuschläge in höherem Umfang an, wurden diese bei 23% "gekappt"; fielen Zuschläge in geringerem Umfang als 23% an, wurde die Vergütung bis zum Tabellenentgelt im Wege des sogenannten Kappungsausgleichs aufgestockt. Beim monatlichen Bruttoentgelt ergaben sich durch diese Abrechungsmodalitäten keine Veränderungen; Unterschiede ergaben sich aber bei den Nettobeträgen dadurch, dass die tatsächlich erarbeiteten Zuschläge steuer- und beitragsfrei gezahlt wurden, während es sich beim Kappungsausgleich um steuerpflichtige Vergütung handelte.

Mit Urteil vom 12.02.2020 (4 Ca 3111/19) entschied das Arbeitsgericht Aachen, diese Vergütungspraxis, bei der bei Arbeitnehmern, die Zuschläge tatsächlich erarbeitet hätten, diese gekappt würden, während andere Arbeitnehmer, die keine bzw. weniger Arbeitsleistung zu zuschlagspflichtigen Zeiten erbracht hätten, auf dieselbe Vergütung aufgestockt würden, stelle einen ungerechtfertigten Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG dar. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten blieb im Ergebnis ohne Erfolg, da nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln (Urteil vom 25.11.2020 - 11 Sa 214/20 - juris) der Tarifvertrag keine hinreichende Grundlage bzw. keine hinreichende Regelung für eine Kappung erdienter Zuschläge enthielt.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen fanden zwischen den Tarifvertragsparteien bereits Verhandlungen über einen neuen Tarifabschluss statt, in denen auch eine Neuregelung der Zuschlagsregelungen thematisiert wurde. Einzelheiten zum Ablauf der Tarifverhandlungen sind zwischen den Par...

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