Entscheidungsstichwort (Thema)
Behindertengerechte Beschäftigung. Direktionsrecht. Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
Kann ein Arbeitnehmer seinen ursprünglichen Arbeitsplatz personenbedingt nicht mehr ausüben, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Direktionsrecht neu auszuüben und soweit vorhanden und möglich einen anderen, behindertengerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Der Arbeitnehmer kann den Anspruch auf Ausübung des Direktionsrechts in die Form eines Beschäftigungsanspruchs auf von ihm vorgeschlagene Arbeitsplätze kleiden.
Unterlässt der Arbeitgeber die ihm mögliche Ausübung des Direktionsrechts, macht er sich schadensersatzpflichtig, soweit die weiteren Anspruchsvoraussetzungen (Kausalität, Verschulden) gegeben sind (BAG 5 AZR 162/09). Stellt die Neuzuweisung eines Arbeitsplatzes eine Versetzung im Betriebsverfassungsrechtlichen Sinne dar, ist zuvor der Betriebsrat zu hören. Der Schadensersatzanspruch ist regelmäßig nicht entscheidungsreif, bevor der Betriebsrat der Versetzung nicht zugestimmt hat.
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 4, § 68 Abs. 3; BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 18.08.2010; Aktenzeichen 18 Ca 12016/09) |
Tenor
Auf die Berufung beider Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.08.2010 jeweils teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Oberlader im Frachtumschlag unter Berücksichtigung der betriebsärztlichen Stellungnahme vom 08.12.2010 zu unveränderten vertraglichen Bedingungen (Entgeltgruppe 7 TVöD-F) vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats zu beschäftigen, wobei der Kläger nicht im Nachtdienst eingesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte zu je ein halb.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes.
Der am … 1966 geborene, verheiratete Kläger ist 5 Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Er wurde am 03.10.1988 als Flugzeugabfertiger bei der Beklagten eingestellt. Er hat vor seiner Erkrankung zuletzt als Oberlader im Gepäckdienst in Wechselschicht einschließlich Nachtschicht gearbeitet und war in Entgeltgruppe 7 TVöD eingruppiert. Beim Kläger ist eine 30 prozentige Schwerbehinderung festgestellt worden. Mit Bescheid vom 23.11.2009 wurde er einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
Vom 27.03.2006 bis zum 26.09.2009 wurde der Kläger als Shuttle-Busfahrer auf einem Schonarbeitsplatz eingesetzt. Diese befristete Beschäftigung beruht auf einer Betriebsvereinbarung, die dazu dienen soll, leistungseingeschränkten Mitarbeitern eine Erholungszeit ohne Vergütungseinbußen zu ermöglichen, in der möglichst die volle Leistungsfähigkeit wieder erreicht wird.
Aufgrund ärztlicher Gutachten vom 28.10.2009 sowie 08.12.2010 steht fest, dass der Kläger keine Gegenstände, die mehr als 10 kg wiegen, heben und tragen darf. Ferner ist ihm ein Nachtschichteinsatz nicht möglich, wohl aber der Einsatz im Wechsel zwischen Früh- und Spätschicht. Tätigkeiten, die langes Sitzen erfordern, sind ihm ebenfalls nicht möglich.
Seit dem 27.09.2009 wird der Kläger nicht mehr beschäftigt. Ab dem 03.11.2009 bezog der Kläger Krankengeld. Erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens führte die Beklagte das betriebliche Eingliederungsmanagement durch.
Der Kläger erstrebt mit seinem Hauptantrag die Beschäftigung als Oberlader im Frachtdienst. Er hat hierzu dargestellt, dass im Bereich des Wareneingangs an der LKW-Laderampe Tätigkeiten anfallen, die mit Hilfsmitteln wie Gabelstaplern, Hubwagen und Rollwagen verrichtet werden können. Diese Tätigkeiten sind nach seiner persönlichen Einschätzung nicht derart körperlich belastend, dass sie zu einer Überforderung führten konnten. Insbesondere fallen keine Trage- und Hebetätigkeiten an, sodass bei Einsatz der Hilfsmittel ein zu 100 % ausgelasteter Arbeitsplatz zugewiesen werden könne. Die im Wareneingang angenommenen LKW-Ladungen werden unmittelbar oder nach Zwischenlagerung zu den Flugzeugen transportiert. Selbst ungewöhnliche Frachtformate könnten nach Aussage des Klägers mit den Hilfsmitteln (Gabelstapler, Hubwagen, Rollwagen) transportiert werden. Jedenfalls könne die Arbeit so aufgeteilt werden, dass er von dem selten vorkommenden Tragen und Heben von Gewichten ausgenommen werde. Auch die Herausnahme aus dem Nachtdienst sei an diesem Arbeitsplatz ohne weiteres möglich.
Der Kläger benennt hilfsweise noch eine Anzahl weiterer Arbeitsplätze, die die Beklagte ihm zuweisen könne.
Der Kläger hat seine Vergütung für die Zeit ab 04.11.2009 bis einschließlich April 2010 unter Abzug des ihm jeweils gewährten Krankengeldes geltend gemacht. Er hat dies zunächst mit Annahmeverzug begründet. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass ihm gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch zustehen könnte.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger auf seinen Hilfsantrag eine Beschäftigungsmöglichkeit als Schichtführer im Gepäckdienst sowie als Ausbilder oder al...