Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundrechtskollision. Koalitionspluralität. Unterlassungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Mit Rücksicht auf den durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Koalitionspluralismus kann nicht jede Maßnahme, die sich faktisch als Behinderung der Tätigkeit einer konkurrierenden Koalition darstellt (hier: Umsetzung einer Sondervereinbarung zugunsten der Mitglieder einer Gewerkschaft), durch einen Unterlassungsanspruch verhindert werden. Das Abwehrrecht der einen Gewerkschaft geht dem Betätigungsrecht der anderen Gewerkschaft nicht zwingend vor.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 823, 1004
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 15.08.2007; Aktenzeichen 4 Ca 269/07) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 15.08.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 4 Ca 269/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen gewerkschaftlichen Unterlassungsanspruch.
Die klagende Gewerkschaft hat ebenso wie die Dienstleistungsgewerkschaft v Mitglieder, die bei der Beklagten beschäftigt sind. Gemäß § 3 des bei der Beklagten verwendeten Standardarbeitsvertrages finden die betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge „zur Zeit sind dies die mit v abgeschlossenen Tarifverträge”) in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Im Rahmen eines im März 2004 zwischen der Beklagten und v abgeschlossenen Beschäftigungsbündnisses wurde ein Härtefallfonds gegründet, aus dem Arbeitnehmer der Beklagten zur Milderung von Härtefällen Zahlungen erhalten sollten. Es wurde vereinbart, dass für die nicht bis zum Jahre 2006 verausgabten Budgetanteile die Vertragsparteien eine weitere Verwendung bestimmen sollten. Am 02.06.2006 schlossen die Beklagte und v folgende „schuldrechtliche Vereinbarung der Tarifvertragsparteien zur Verwendung des Härtefallfonds” (Kopie Bl. 30 d. A.):
„Im Rahmen des Beschäftigungsbündnisses im Jahre 2004 haben die Tarifvertragsparteien gemeinsam festgelegt, dass über die nicht verwendeten Mittel aus dem Härtefallfonds gemeinsam zu entscheiden ist. Diese nicht verbrauchten Mittel in Höhe von 9,3 Mio. EUR sollen weiterhin einer sozialen Zweckbindung zugeführt werden. Sie werden hierzu einem von v neu zu gründenden oder einem von v zu benennenden gemeinnützigen Verein als Spende überwiesen. v – Mitglieder können Mittel aus dem Fonds auf Antrag erhalten. Diese Mittel werden verwendet, um ausschließlich aktive oder ehemalige Beschäftigte der D, die v – Mitglieder sind, zweckgebunden zu unterstützen bei
- • finanziellen und sozialen Notlagen,
- • für Erholungs- oder
- • Bildungszwecke.
Sie dürfen nicht für andere Zwecke Verwendung finden.
Die Zahlung an den gemeinnützigen Verein wird für die D T A steuer- und sozialversicherungsunschädlich geleistet.”
Zu einer Auszahlung des Betrages ist es bisher noch nicht gekommen, weil v gegenüber der Beklagten noch keinen gemeinnützigen Verein als Empfänger der Spende benannt hat.
Die Gewerkschaft ver.di ist dem Rechtsstreit als Streitverkündete auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Mit seiner Klage hat der Kläger gegenüber der Beklagten die Unterlassung der Auszahlung begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, hierdurch in seiner Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Abs. 3 GG verletzt zu werden. Die Vereinbarung, wonach ausschließlich v – Mitglieder in den Genuss der 9,3 Mio. EUR kommen würden, stelle eine unzulässige Differenzierungsklausel dar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.08.2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, durch die Vereinbarung vom 02.06.2006 und die spätere Auszahlung des Betrages von 9,3 Mio. EUR werde das grundrechtlich geschützte Betätigungsrecht des Klägers nicht unzulässig beeinträchtigt, weil die Maßnahmen nicht auf eine Existenzvernichtung abzielten und auch keine unlauteren Mitteln im gewerkschaftlichen Konkurrenzkampf darstellten. Wegen der Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe wird auf Bl. 76 ff. d. A. Bezug genommen.
Gegen das ihm am 30.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.11.2007 Berufung eingelegt, die er am 30.11.2007 begründet hat. Er meint, bei der streitbefangenen Vereinbarung handele es sich um eine faktische Tarifausschlussklausel, weil der von allen Arbeitnehmern erwirtschaftete Geldbetrag in Höhe von 9,3 Mio. EUR nur den bei der Streitverkündeten organisierten Arbeitnehmern zugute kommen solle. Die Vereinbarung wirke entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch tatsächlich wie eine Spannensicherungsklausel, weil die Gewerkschaftszugehörigkeit zur einem besonderen anspruchsbegründenden Merkmal erhoben worden sei. Letztlich werde durch die Zahlung der Beklagten an einen von der Streitverkündeten zu gründenden Verein ein sozialinadäquater Druck auf nicht – bzw. bei ihm organisierte Beschäftigte ausgeübt, der Streitverkündeten beizutreten. Er, der Kläger, könne aufgrund der grundrechtlich verbürgten kollektiven Koalitionsfreiheit auch die Unterlassung einer rechtswi...