Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines Weiterbeschäftigungsanspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren. Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit. Zulässige Ausnahmen zur Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs außerhalb des Kündigungsschutzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Kann der gekündigte Arbeitnehmer aufgrund einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit in der Kündigungsschutzklage keinen Antrag auf Weiterbeschäftigung stellen, so ist ihm dies ausnahmsweise im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gestattet.
Normenkette
ArbGG § 64 Abs. 1; ZPO § 92 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 14.01.2021; Aktenzeichen 2 Ga 39/20) |
Tenor
- Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.01.2021 - 2 Ga 39/20 - teilweise abgeändert und die Verfügungsbeklagte verurteilt, den Verfügungskläger als Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Verfügungsbeklagten nach Entgeltgruppe 9b der Entgeltordnung zum TVöD bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsrechtsstreit Landesarbeitsgericht Köln Az:8 Sa 558/19, weiterzubeschäftigen.
- Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren über die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger).
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.05.2005 beschäftigt. Zuletzt war er als Mitarbeiter des Ordnungsamts tätig. Sein letztes monatliches Bruttogehalt betrug 4.518,56 EUR.
Mit Schreiben vom 29.01.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos und führte zur Begründung an, der Kläger habe die Ableistung von Rufbereitschaft im Rahmen des Winterdienstes bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten vorgetäuscht. Auf die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage stellte das Arbeitsgericht Aachen mit Urteil vom 04.07.2019 (7 Ca 316/19) fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden sei. Die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 19.11.2020 (8 Sa 558/19) zurück und ließ die Revision nicht zu. Die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 2 ArbGG ist derzeit noch nicht abgelaufen. Nach dem Vortrag in der mündlichen Berufungsverhandlung im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren erwägt die Beklagte die Einlegung dieses Rechtsbehelfs.
Während des vorgenannten erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens war der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit endete am 14.07.2019. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17.07.2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihn weiter zu beschäftigen. Das lehnte die Beklagte ab. Der Kläger erhob daraufhin am 08.08.2020 eine weitere arbeitsgerichtliche Klage (2 Ca 2422/19) und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ihn als Mitarbeiter des Ordnungsamts der Beklagten zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 4.518,56 EUR weiter zu beschäftigen. Nach erfolglosem Gütetermin vom 26.08.2019 bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 20.09.2019 um Fortführung des Verfahrens. Das Arbeitsgericht bat seinerseits mit Schreiben vom 24.09.2019 die Parteien um Mitteilung, sobald das Kündigungsschutzverfahren vor der 7. Kammer(7 Ca 316/19) rechtkräftig beendet sei. Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.09.2019 mit, dass gegen das Urteil im vorgenannten Verfahren Berufung eingelegt worden sei. In der Folgezeit wurde das Verfahren2 Ca 2422/19 nicht aktiv weiter betrieben. Erstmalig mit Schriftsatz vom 20.11.2020 bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf das zweitinstanzliche Urteil im Verfahren 8 Sa 558/19 erneut um Fortsetzung des Verfahrens. Daraufhin beraumte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24.11.2020 Termin zur Kammerverhandlung auf den 15.04.2021 an.
Mit seiner am 30.12.2020 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Antragsschrift begehrt der Kläger im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verurteilung der Beklagten zu seiner Weiterbeschäftigung als Mitarbeiter des Ordnungsamtes nach Gruppe 9c, Stufe 6 des TVöD-Entgelttarifvertrages.
Er hat gemeint, nach abgeschlossenem zweitinstanzlichen Kündigungsschutzverfahren und nicht zugelassener Revision habe er einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Mit der Geltendmachung dieses Anspruchs könne er nicht bis zum erstinstanzlichen Kammertermin im Hauptsacheverfahren im April 2021 warten, da er dringend auf seine Vergütung angewiesen sei, um seine Familienangehörigen unterhalten zu können.
Der Kläger hat beantragt,
die Verfügungsbeklagte zu verpflichten, ihn als Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Verfügungsbeklagten nach TarifTVöD-Entgeltvertrag Gruppe 9c, Stufe 6, weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag auf Erla...