Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein grundsätzlicher Insolvenzschutz von Pensionskassenspitzen bis zum 31.12.2021. Insolvenzschutz mittelbarer Versorgungszusagen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse ist der Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung einer "Pensionskassenspitze" gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG grundsätzlich nicht insolvenzgeschützt, wenn der Sicherungsfall bis zum 31. Dezember 2021 eingetreten ist (§ 30 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG).
2. Der PSV als Träger des gesetzlichen Insolvenzschutzes ist für diese Sicherungsfälle nur eintrittspflichtig, wenn (ausnahmsweise) die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG gegeben sind. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt dem Arbeitnehmer.
3. Die vom BAG (20. Juli 2020 - 3 AZR 142/16) nach Vorlage an den EuGH zu dem Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ergangenen Erwägungen sind auf § 2 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG übertragbar. Danach galten für den Insolvenzschutz einer betrieblichen Altersversorgung, die über eine Pensionskasse erfolgt ist, bereits vor der Neufassung des § 30 BetrVG dieselben Voraussetzungen wie sie nunmehr nach § 30 Abs. 2, 3 BetrAVG gelten, wenn der Sicherungsfall bis zum 31. Dezember 2021 eingetreten ist. Maßgeblich ist, dass es sich nicht um eine unmittelbare Versorgungszusage handelt. Dies gilt auch für den Teilanspruch, der ohne eine Insolvenz unmittelbar vom Arbeitgeber zu erbringen gewesen wäre.
Normenkette
BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 3, § 2 Abs. 3 S. 1, § 7 Abs. 2, § 30 Abs. 2-3; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 23.08.2017; Aktenzeichen 3 Ca 4847/16) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.08.2017 - 3 Ca 4847/16 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Einstandspflicht des Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzschutzes für einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen seine ehemalige Arbeitgeberin auf Zahlung einer sog. "Pensionskassenspitze" gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG.
Der am 1953 geborene Kläger war seit dem 9. November 1981 bei der A -G -AG angestellt. Ab Juli 2002 war er außertariflicher Angestellter. Die Arbeitgeberin des Klägers sagte dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse zu.
§ 12 des Arbeitsvertrages vom 30.07.2002 bestimmt:
"Sie bleiben Mitglied in der B -Pensionskasse. Sie werden entsprechend der Ordnung der betrieblichen Grundrente und der Ordnung der betrieblichen Zusatzrente der A -G AG in der jeweils geltenden Fassung in unsere Versorgungsregelung mit einbezogen.
Mit Ablauf des Monats, in dem Sie das 65. Lebensjahr vollenden, treten Sie in den Ruhestand, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Sie können jedoch bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres unter Inanspruchnahme unserer Versorgungsregelung (in Höhe der erworbenen Anwartschaften bis zum Austritt) in den Ruhestand treten. Wir haben von diesem Zeitpunkt an ebenfalls das Recht, Sie in den Ruhestand zu versetzen."
In § 4 Abs. 1 der für den Kläger maßgeblichen Versorgungsordnung heißt es:
"Soweit die B - Pensionskasse Renten nach Maßgabe ihrer Satzung und ihrer allgemeine Versicherungsbedingungen nicht erbringt, ist das Unternehmen Versorgungsträger."
§§ 6 und 7 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Pensionskasse lauten auszugsweise:
"§ 6 Mitgliedsrenten
1. Mitgliedsrenten erhalten ordentliche und außerordentliche Mitglieder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Altersrente, vorgezogene Altersrente sowie Rente wegen Erwerbsminderung.
2. Altersrenten setzen die Vollendung des 65. Lebensjahres voraus.
3. Vorgezogene Altersrenten setzen die Vollendung des 60. Lebensjahres voraus; sie werden auch im Fall der Weiterbeschäftigung gezahlt, wenn und solange die Altersrente als Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird.
§ 7 Höhe der Mitgliedsrenten
1. Die jährliche Mitgliedsrente beträgt 44 % der entrichteten Mitgliedsbeiträge."
Die betriebliche Grundrente wird anteilig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert. 2003 wurde der Arbeitgeberbeitrag auf 200 % des Arbeitnehmerbeitrags erhöht. Die für die Abwicklung der Betriebsrentenzusagen zuständige B B S GmbH stellte in einem internen Vermerk vom 17.08.2004 einen Umstellungsbedarf in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung fest. Insbesondere sollte eine "rechnerische BK - Spitze" nicht mehr entstehen.
Als Folge eines Betriebsübergangs ging das Arbeitsverhältnis des Klägers am 1. November 2004 auf die A GmbH über. Über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde am 1. August 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete am 31. Oktober 2005.
Der Kläger bezieht seit dem 1. Juli 2013 vorgezogene Altersrente der B - Pensionskasse in Höhe von 691,83 EUR monatlich. Hiervon entfallen 670,78 EUR auf die bis zur Insolvenzeröffnung erwo...