Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzgesetz. Kleinbetriebsklausel. Schwellenwert. Übergangsregelung. Umgehung
Leitsatz (amtlich)
1.) Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2004 begonnen hat, ist der Schwellenwert von fünf Arbeitnehmern nach § 23 Abs. 1, S. 2 KSchG maßgeblich, sofern im Betrieb nicht ohnehin insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dabei können gemäß § 23 Abs. 1, S. 3, letzter HS KSchG stets aber nur solche Arbeitnehmer berücksichtigt werden, deren Arbeitsverhältnis ebenfalls vor dem 01.01.2004 begründet wurde.
2.) Es stellt noch keine rechtsmissbräuchliche Umgehung von § 23 Abs. 1, S. 2 KSchG dar, wenn der Arbeitgeber mehrere vor dem 01.01.2004 begründete befristete Arbeitsverhältnisse mit Befristungsende nach dem 01.01.2004 auslaufen lässt und stattdessen wenig später in entsprechender Anzahl Neu-Einstellungen vornimmt.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1 Sätze 1, 3; BErzGG § 21 Abs. 1, 7
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 04.05.2005; Aktenzeichen 12 Ca 13313/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.05.2005 in Sachen 12 Ca 13313/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Der Beklagte betreibt in K eine Facharztpraxis für operative und konservative Orthopädie. Die am 19.05.1970 geborene Klägerin war seit dem 05.05.1995 in der Praxis des Beklagten als Arzthelferin beschäftigt. Ihr Verdienst betrug zuletzt ca. 2.450,00 EUR brutto monatlich.
Am 20.12.2004 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 31.03.2005.
Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung waren in der Praxis des Beklagten neben der Klägerin die ebenfalls vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen S, W, F, F, S und R und die teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterin Freire als Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ferner bestanden ruhende Arbeitsverhältnisse mit den sich in Erziehungsurlaub/Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerinnen L und H. Ferner verrichtete eine Frau B Schreibarbeiten (Arztbriefe, OP-Berichte, Gutachten u. ä.) in ihrem eigenen Büro gegen Rechnungsstellung für die Praxis des Beklagten. In der Praxis war ferner auch die Ehefrau des Beklagten, Frau Dr. A aktiv, welche als stille Gesellschafterin an der Praxis beteiligt ist.
Die Arbeitnehmerinnen F, F, S und R waren erst im Laufe des Jahres 2004 eingestellt worden. Andererseits hatten die auch schon am 31.12.2003 bei dem Beklagten vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen G, P und K mit Ablauf ihrer befristeten Arbeitsverträge am 30.04.2004, 30.06.2004 bzw. 14.06.2004 die Praxis verlassen. Schließlich hatte ein in der Praxis beschäftigter Arzt Dr. B aufgrund einer Eigenkündigung vom 14.11.2003 sein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zum 31.12.2003 beendet (vgl. Bl. 178 d. A.).
Wie aus dem vom Beklagten vorgelegten Verlängerungsvertrag vom 07.09.2004 (Bl. 179 f. d. A.) hervorgeht, ist das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin S aus dem Sachgrund der Vertretung der sich in Elternzeit befindlichen Mitarbeiterin L bis zum 21.01.2007 zweckbefristet. Nach Darstellung der Beklagten ist ferner auch das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin W zweckbefristet für die Dauer des Erziehungsurlaubs der Arbeitnehmerin H.
Gegen die Kündigung vom 20.12.2004 hat die Klägerin am 22.12.2004 die vorliegende Klage erhoben. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung des Beklagten sei gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass das Kündigungsschutzgesetz auf ihren Fall anwendbar sei. Die Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 S. 2 u. 3 KSchG sei unter Vertrauensschutzgesichtspunkten bestandserhaltend auszulegen. Arbeitnehmer wie die Klägerin, die am 31.12.2003 bereits Kündigungsschutz nach dem alten Rechtszustand erworben gehabt hätten, behielten diesen nach Maßgabe des bisherigen Rechtes weiter ohne zeitliche Einschränkung. Sowohl am 31.12.2003 als auch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 20.12.2004 habe der Beklagte unstreitig mehr als 5 Arbeitnehmer/- innen beschäftigt. Richtigerweise seien dabei auch Frau B und die Ehefrau des Beklagten als Arbeitnehmerinnen mitzuzählen.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.12.2004 nicht mit dem 31.03.2005 sein Ende gefunden hat;
- den Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Arzthelferin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass auf die streitige Kündigung die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes nicht anwendbar seien. Im Zeitpunkt der Kündigung seien weniger als 10 Arbeitnehmer/- innen beschäftigt gewesen. Von den im Zeitpunkt der Kündigung Beschäftigten seien einschließlich der Klägerin nur 3,5 mitzä...