Entscheidungsstichwort (Thema)
Betankung des privaten Wohnmobils kein fristloser Kündigungsgrund. Nutzung einer Tankkarte zu privaten Zwecken als Kündigungsgrund. Gestattung privater Nutzung einer Tankkarte durch jahrelange Duldung. Arbeiten an privatem Motorrad als Kündigungsgrund. Auflösung eines Arbeitsverhältnisses wegen wahrheitswidrigem Vortrag
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zu einer außerordentlich fristlosen Kündigung u.a. wegen der Nutzung einer Tankkarte sowie zur Anwendbarkeit des KSchG
Normenkette
BGB § 626; KSchG §§ 23, 1, 9-10; BGB §§ 241, 611a; GG Art. 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 02.02.2021; Aktenzeichen 6 Ca 1996/20) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 02.02.2021 - 6 Ca 1996/20 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 15.10.2020 aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 26.10.2020 aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 17.09.2020 aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Betriebsleiter weiter zu beschäftigen.
II.
Der Auflösungsantrag des Klägers wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/13 und die Beklagte zu 10/13.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses, Weiterbeschäftigung und in der Berufung um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Der am 1959 geborene, verheiratete Kläger ist seit 01.11.2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin gegen eine Quartalsvergütung einschließlich aller Bestandteile i.H.v. 16.062,50 EUR beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt zuletzt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 07.09.2017 zugrunde, ausweislich dessen der Kläger als Betriebsleiter beschäftigt wird. In der Werkstatt hält die Beklagte eine Tankkarte vor, die die Mitarbeiter für dienstlich veranlasste Betankungen von Firmen- und Kundenfahrzeugen nutzen dürfen. Dazu existiert eine Dienstanweisung "Benutzung von Vorführfahrzeugen, Firmen- und Kundenfahrzeugen" vom 01.12.2016 (Anl. B5, Bl.86 der Akte). In deren Ziffer 3 g Seite 3 geregelt ist, dass die Firmenfahrzeuge immer voll betankt zurückgegeben werden müssen. Zur Abrechnung muss die Firmentankkarte verwendet werden. Die Tankkarte darf keinesfalls für private Betankungen genutzt werden.
Bei der Beklagten waren im September 2020 der Kläger, Frau A F , Herr M H , Herr D Schl , Herr D Schw , Herr M Sch , Herr F P und Frau R H in Vollzeit beschäftigt. Frau R H soll nach Behauptung der Beklagte zwischenzeitlich verlassen haben. Dafür werde Herr S G beschäftigt. In Teilzeit würden Herrn K Schm und Herr B mit einem Umfang von unter 20 Stunden in der Woche beschäftigt.
Anlässlich der Übertragung der Position des Betriebsleiters im Jahr 2017 erhielt der Kläger aus dem Fahrzeugpool ein Dienstfahrzeug und eine eigene Tankkarte. Diese wurde auch zur privaten Nutzung verwendet. Seit der Kündigung des Werkstattleiters Anfang 2020 übernahm der Kläger die Leitung der Werkstatt. Dazu räumte er seinen Arbeitsplatz als Betriebsleiter, der sich in den Verkaufsräumen befand, und erhielt einen Arbeitsplatz in der Werkstatt. In zeitlicher Nähe zu dem Wechsel stellte die Beklagte dem Kläger keinen Dienstwagen mehr zur Verfügung. Die dem Kläger überlassene Tankkarte verblieb bei ihm. Mit dieser Tankkarte wurden bis zum 08.10.2020 diverse Male unterschiedliche Kraftstoffe getankt und Autoreinigungen bezahlt. Hinsichtlich der einzelnen Aufstellung wird auf Anl. W3 (Bl.55 der Akte) verwiesen. Der Kläger betankte am 12.09.2020 sein privates Wohnmobil mit 174,54 l Diesel.
Mit Schreiben vom 17.09.2020 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2021. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger am 25.09.2020 Kündigungsschutzklage, die der Beklagten am 01.10.2020 zugestellt wurde.
Mit Schreiben vom 09.10.2020 hörte die Beklagte den Kläger zu einer möglichen Verdachtskündigung an. Eine Rechnung vom 30.06.2020 mit der Nr. 0 sei an die Beklagte selbst adressiert, die Leistung könne dem Kunden K zugerechnet werden. Herr K habe auf Nachfrage angegeben, keine Rechnung erhalten und bezahlt zu haben. Der Auftrag sei vom Kläger am 01.02.2020 angenommen worden. Es gebe die Anweisung, dass kein Fahrzeug an Kunden herausgegeben werden solle, ohne dass zuvor die Rechnung bezahlt worden sei. Dennoch habe der Kläger das Fahrzeug herausgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorwurfs wird auf die Abschrift der Anhörung (Anlage W1, Bl.37 der Akte) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 15.10.2020 sprach die Beklagte eine außerordentliche fristlose Kündigung de...