Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlußfrist. subjektive Einschätzung des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Beginn der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Arbeitgeber die subjektive Einschätzung gewonnen hat, daß Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Arbeitnehmers bestehen, sondern auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung der objektiven Tatsachen, die diese Einschätzung rechtfertigen. Diese Tatsachen sind nicht zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nicht darauf stützt.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 22.02.1996; Aktenzeichen 13 Ca 7513/95)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.02.1996 – 13 Ca 7513/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 15.08.1995 ausgesprochenen außerordentlichen Verdachtskündigung.

Der Kläger ist Volljurist und stand bei der Beklagten seit dem 15.02.1974 im Arbeitsverhältnis. Seit März 1993 war er als Leiter der Hauptabteilung Gebühreneinzug, Bestandsführung und Abrechnung gegen eine monatliche Bruttovergütung von 15.035,– DM beschäftigt und einer der beiden Vertreter des Geschäftsführers der Beklagten. Er ist schwerbehindert mit einem GdB von 50 %.

Im Jahr 1991 schloß die Beklagte mit der Firma F einen Vertrag über die Lagerung von Vordrucken etc., der Ende 1991 modifiziert wurde, weil die Firma F ursprünglich vereinbarte Bedingungen zur feuertechnischen Absicherung nicht einhalten konnte. Die Änderungsvereinbarung wurde auf seiten der Beklagten vom Kläger gezeichnet. Anfang 1992 zeigte die Firma F einen Kalkulationsirrtum an und bat um Vertragsanpassung bei den Transportkosten. Nach mehreren Gesprächen unter Beteiligung des Klägers, in denen eine Erörterung des Themas für Ende 1992 in Aussicht gestellt wurde, stimmte die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.1993, welches u.a. vom Kläger unterzeichnet ist, einer weiteren Vertragsänderung durch Erhöhung des sogenannten Rollgeldes ab dem Jahr 1993 zu; für das Jahr 1992 übernahme sie die Hälfte (= 2.600,– DM) der von der Firma F mitgeteilten Unterdeckung.

Im Rahmen einer staatsanwaltlichen Vernehmung vom 23. und 29.05.1995 des früheren Mitarbeiters der Beklagten B erklärte dieser, er habe dem Kläger am 10.10.1992 10.000,– DM ausgehändigt, und zwar auf Wunsch des Inhabers der Firma F, wonach das Geld aus Dankbarkeitsgründen für die künftige Zusammenarbeit an den Kläger gehen sollte. Am 31.05.1995 wurde der Beklagten ein die Durchsuchung der Privat- und Geschäftsräume des Klägers anordnender Beschluß des Amtsgerichts Mönchengladbach wegen des Verdachts der Bestechlichkeit bekanntgegeben, worauf sie den Kläger sofort suspendierte. In der Folge erhielt die Beklagte durch die Ermittlungsbehörden Kenntnis von einem Schreiben des Herrn B an die Witwe des Herrn F, in dem es u.a. heißt:

„Liebe F,

Du weißt sicherlich, daß W mir 10.000,– DM geliehen hat.

Dieses Geld hat Herr I von mir für die Unterstützung zum Abschluß des Lagervertrags und die Anhebung des Zollgeldes erhalten.”

Ferner erhielt sie Kenntnis von einem bei der Firma F aufgefundenen und von Herrn B unterzeichneten Schuldschein vom 08.10.1992, in dem es heißt: „10.000,– DM von Herrn F geborgt!” und auf der Rückseite: „I am Samstag, 10.10., übergeben”. Am 08.06.1995 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Am 14.06.1995 nahm sie durch ihren Prozeßbevollmächtigten Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und erhielt Kenntnis von den Vernehmungsprotokollen des Herrn B. Für den 19.06.1996 forderte sie den Kläger zu einem weiteren Anhörungsgespräch wegen des dringenden Verdachts auf, in schwerwiegender Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben. Unter Zurückweisung dieser Vorwürfe und unter Hinweis darauf, daß seine Strafverteidigerin erst Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen wolle, lehnte der Kläger den Termin ab. Auf Aufforderung der Beklagten schickte er daraufhin eine von ihr vorgefertigte „dienstliche Erklärung” unterschrieben unter dem 21.06.1995 an die Beklagte. Die Beklagte fragte daraufhin bei den Ermittlungsbehörden den Sachstand an und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 27.06.1995 mit, da danach noch ein hinreichender Tatverdacht bestehe und die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien, könne sie die Suspendierung nicht aufheben; für Rückfragen solle sich der Kläger bereit halten.

Am 14.07.1995 erhielt die Beklagte einmal von einem Aktenvermerk des LKA Kenntnis, wonach die Freundin des Herrn B, Frau F, dessen Sachverhaltsschilderung bezüglich des Vorgangs der Geldübergabe gestützt habe, zum anderen von der Vernehmung des Herrn F, einem Mitarbeiter der Firma K, die mit der Beklagten in Geschäftsbeziehungen stand, wonach der Kläger an Bewirtungen und Geschäftsessen auf seine Kosten mit weiteren Mitarbeitern der Beklagten beteiligt gewesen sei.

Unter dem 17.07.1995 forderte sie ihn unter Hinweis auf den dringenden Ver...

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