Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. selbst verschuldete Arbeitsunfähigkeit. Systemgastronomie. Stoffturnschuhe. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei selbst verschuldeter Arbeitsunfähigkeit. Erforderlichkeit rutschfester Schuhe in Systemgastronomie
Leitsatz (amtlich)
Zum Maßstab des Verschuldens, das gemäß § 3 Abs. 1 EFZG zum Ausschluss des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall führen kann.
Normenkette
EFZG § 3; BGB § 276
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 31.08.2011; Aktenzeichen 9 Ca 2528/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2011 in Sachen 9 Ca 2528/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob ein Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 22.12.2010 bis 18.01.2011 daran scheitert, dass die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 31.08.2011 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 26.09.2011 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 26.10.2011 Berufung eingelegt und diese zugleich auch begründet.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Klägerin den Arbeitsunfall vom 22.12.2010, auf welchem der streitige Entgeltfortzahlungsanspruch beruht, im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG selbst verschuldet habe. Die gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts sei nicht überzeugend begründet. Insbesondere habe das Arbeitsgericht dem Umstand zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, dass die Klägerin am Vortage des Unfalls zu verschiedenen Zeiten von zwei verschiedenen Vorgesetzten unabhängig voneinander darauf angesprochen worden sei, dass ihre Schuhe nicht ausreichend rutschfest seien. Gleichwohl sei die Klägerin am Unfalltage wiederum mit denselben ungeeigneten Schuhen - Stoffturnschuhe mit glatter Sohle - zur Arbeit erschienen. Indem sie sich bei der Wahl ihres Schuhwerkes über die Anweisungen gleich zweier Vorgesetzter hinweggesetzt habe, habe sie ein grobes Verschulden an den Tag gelegt, das einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausschließe.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2011,Az. 9 Ca 2528/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte hält ebenfalls an ihrer Auffassung fest, dass sie an dem Unfall vom 22.12.2010 nicht einmal ein leichtes Verschulden treffe. Sie habe am Unfalltag schwarze Lederschuhe mit rutschfester Sohle getragen. Die Klägerin bestreitet weiterhin, dass ein Warnschild darauf hingewiesen habe, dass der Restaurantfußboden frisch feucht aufgewischt gewesen sei. Sie meint, zu dem Unfall habe beigetragen, dass der Zeuge S den von ihm frisch aufgewischten Fußboden nicht getrocknet habe.
Wegen weiterer Einzelheiten der Argumentation der Parteien wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift und der Berufungserwiderungsschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2011 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch fristgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
II. Die Berufung der Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Köln hat der Klage auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 22.12.2010 bis 18.01.2011 in rechnerisch unstreitiger Höhe zu Recht stattgegeben. Der Entgeltfortzahlungsanspruch scheitert nicht daran, dass die Klägerin ihre unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG selbst verschuldet hätte.
1. Will der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung mit der Begründung verweigern, der Arbeitnehmer habe die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft im Sinne des Gesetzes herbeigeführt, so trifft ihn für die Tatsachen, aus denen sich der Ausschließungsgrund ergeben soll, die Darlegungs- und Beweislast (BAG vom 23.11.1971, AP Nr. 9 zu § 1 LohnFG; seitdem std. Rspr.; ferner: ErfK/Dörner,§ 3 EFZG Rdnr. 32).
2. Die Darlegungen der Beklagten reichen im vorliegenden Fall nicht aus, um einen Fall selbst verschuldeter Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG anzunehmen.
a. Die Beklagte stützt ihre Rechtsauffassung auf folgende Kernbehauptungen: Die Klägerin habe am Unfalltage wie am Vortage dieselben Stoffturnschuhe mit glatter Sohle getragen; am Vortage hätten aus gegebenem Anlass zwei Vorgesetzte unabhängig voneinander und zu verschiedenen Zeiten die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihre Schuhe nicht rutschfest und daher ungeeignet seien; es ...