Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Fahrers eines Müllfahrzeugs wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach Überfahren einer Verkehrsinsel
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall einer fristgerechten Kündigung aus wichtigem Grund, weil der gekündigte Arbeitnehmer als Fahrer eines Müllfahrzeugs nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit diesem rückwärts gefahren ist und dabei eine Verkehrsinsel "plattgemacht" bzw. zerstört hat und sich dann vom Unfallort entfernt hat, wofür er zugleich rechtskräftig nach § 142 StGB verurteilt wurde.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2; StGB § 142; ZPO § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 08.10.2019; Aktenzeichen 3 Ca 3137/18) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.10.2019 (3 Ca 3137/18) wird als unzulässig verworfen, soweit es die Abweisung des Klageantrages zu Ziff. 2 (allgemeiner Feststellungsantrag) betrifft.
- Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.10.2019 (3 Ca 3137/18) zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
- Die Revision wird nicht zugelassen. *) Berichtigungsbeschluss vom 14.07.2020
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweisen ordentlichen Kündigung im Zusammenhang mit zwei (Verkehrs-)Unfällen, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie über Annahmeverzugslohansprüche.
Der Beklagte, wohnhaft in Erkelenz, betreibt als eingetragener Kaufmann - firmierend als A Personaldienstleistungen - eine Arbeitnehmerüberlassungsfirma. Bei ihm sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Bei dem Beklagten ist kein Betriebsrat gebildet. Der Personaldisponent des Beklagten ist Herr A C .
Der Kläger, geboren am 19 , wurde bei dem Beklagten ab dem 15.11.2017 auf Basis eines Stundenlohnes iHv. 12,51 Euro in Vollzeit als Berufskraftfahrer beschäftigt. Bei einer vereinbarten monatlichen Arbeitszeit von 160 Stunden ergibt dies einen Bruttomonatslohn iHv. 2.001,61 Euro. Bzgl. der einzelnen Regelungen des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien wird auf Bl. 6-11 d.A. Bezug genommen. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"...§ 14 Vertragsstrafe
(1) Der Mitarbeiter hat an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe zu zahlen, wenn
...
- er durch schwerwiegende Vertragsverstöße wie Diebstahl .... den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung veranlasst,
...
(2) Als Vertragsstrafe wird vereinbart:
...
Für den Fall der Veranlassung des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung .... ein Bruttotagesentgelt multipliziert mit der Anzahl der Tage bis zum Ablauf der maßgeblichen ordentlichen Kündigungsfrist. ..."
In § 15 des Arbeitsvertrages ist eine zweistufige Ausschlussfrist von jeweils drei Monaten vereinbart. Nach § 13 Abs. 3 Satz 4 des Arbeitsvertrages richten sich die Kündigungsfristen bei einer Dauer von mehr als sieben Monaten nach § 622 BGB.
Der Kläger wurde vom Beklagten als Fahrer für Müllfahrzeuge an die Niederlassung in A der Firma R R GmbH (nachfolgend: R ), deren Sitz in W ist, im Wege der Arbeitnehmerüberlassung verliehen. Die Personaldisponentin der R ist Frau D B , die in der Niederlassung der R in H tätig ist.
Es existiert eine vom Beklagten nicht unterschriebene Abmahnung des Klägers wegen "Arbeitsniederlegung und eigenmächtiger Abwesenheit" vom 11.07.2018, bzgl. deren Inhalts auf Bl. 41i d.A. Bezug genommen wird. Der Kläger behauptet, dass ihm diese Abmahnung persönlich unbekannt sei, zumal sie einen ganz anderen Sachverhalt als den streitgegenständlichen Tatvorwurf betrifft.
Am 31.07.2018 war der Kläger Fahrer eines Müllfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen . Er war zusammen mit dem Mitarbeiter und Zeugen, Herrn M St h, in A im Bereich unterwegs. Das Fahrzeug verfügt über eine Rückfahrkamera. In dem dortigen Bereich sind die Straßenverhältnisse eng und dort ist es zu einer Beschädigung einer Straßenlaterne gekommen, die zwischen den Parteien umstritten ist. Bezüglich der beschädigten Straßenlaterne wird auf die beiden Farbfotos auf Bl. 41f und 41g d.A. Bezug genommen.
Am 06.08.2018 war der Kläger Fahrer eines Müllfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen . Er war zusammen mit dem Mitarbeiter und Zeugen, Herrn J M , in A ua. am V Weg unterwegs. Das Fahrzeug verfügt über eine Rückfahrkamera. In dieser Straße liegt seitlich eine Verkehrsinsel mit rot-weißen Warnbarken, wobei es insofern zu einer Beschädigung der Verkehrsinsel und des Fahrzeugs der R gekommen sein soll, was zwischen den Parteien umstritten ist. Bezüglich der beschädigten Verkehrsinsel und der samt den Betonfundamenten aus dem Boden gerissenen und beschädigten Warnbarken wird auf das Farbfoto auf Bl. 41h Bezug genommen. Dieses Foto machte der Kläger unmittelbar nach Wahrnehmung der Beschädigung der Verkehrsinsel mit dem Firmenhandy. Unstreitig ist der Kläger zuvor eine längere Strecke mit dem Müllfahrzeug rückwärts gefahren.
Am 24.08.2018 erhielt der Beklagte von Frau D B um 10:26 ...