Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung
Leitsatz (amtlich)
Wird dem Rechtsanwalt die Handakte zum Ablauf der Vorfrist für eine fristgebundene Prozesshandlung vorgelegt, so hat er selbst die Pflicht, die richtige Notierung der Frist für die Prozesshandlung zu überprüfen. Das gilt auch dann, wenn er nicht gesondert darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Fristsache handelt.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 05.11.2009; Aktenzeichen 1 Ca 1360/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.11.2009 – 1 Ca 1360/09 – wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Sache darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Altersteilzeit für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 31.03.2013 im Blockmodell der Gestalt zu gewähren, dass die Arbeitsphase vom 01.10.2009 bis zum 30.06.2011 und die Freistellungsphase vom 01.07.2011 bis zum 31.03.2013 dauert.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das erstinstanzliche Urteil vom 05.11.2009 wurde dem Kläger am 12.02.2010 zugestellt. Die Berufungsschrift ist am 05.03.2010 eingegangen. Die auf den 14.04.2010 datierte Berufungsbegründung des Klägers ging per Fax am 14.04.2010 ein (Bl. 79 d. A.). Nach dem gerichtlichen Hinweis vom 23.04.2010, dass die Berufungsbegründung nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des § 66 Abs. 1 ArbGG eingegangen sei, beantragte der Kläger mit bei Gericht am 29.04.2010 eingegangen Schriftsatz, dem Kläger gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Wegen des Vorbringens zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird auf Blatt 91/92 d. A. und wegen der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleikraft K auf Blatt 93 d. A. Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Parteien zur Hauptsache in der zweiten Instanz wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung und der Schriftsatz des Klägers vom 02.07.2010 (Bl. 134 d. A.) sowie den Schriftsatz der Beklagten vom 07.07.2010 (Bl. 138 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
- gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren,
- das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.11.2009, Aktenzeichen 1 Ca 1360/09, abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen,
- die Kosten des Rechtsstreits der Berufungsbeklagten aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 ArbGG begründet worden ist.
I. Nach § 66 Abs. 1 ArbGG beginnt die zweimonatige Begründungsfrist mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Das war am 12.02.2010. Die Berufung hätte demnach bis zum 12.04.2010 begründet werden müssen. Der Berufungsbegründungsschriftsatz ging aber erst am 14.04.2010 ein.
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand war zurückzuweisen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Berufungsbegründungsfrist schuldlos versäumt wurde.
Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung zu wahren. Wegen § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.
Zur Schlüssigkeit eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört es, dass der Antragsteller einen Verfahrensablauf vorträgt, der ein Verschulden zweifelsfrei ausschließt. Unklarheiten gehen im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs zur Lasten der Partei (BAG 10.01.2003 NJW 2003, 1270).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob eine zu beachtende Frist richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. BGH 20.01.2009 – Xa ZP 34/08 – MDR 2009, 520 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des BGH).
Die eigenverantwortliche Fristenkontrolle muss zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakte, aber dann erfolgen, wenn die Akten dem Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung vorgelegt werden. Darauf, ob die Vorlage der Handakte wegen der Berufungsbegründungsfrist oder aus Anlass einer anderen fristgebundenen Prozesshandlung, wie z. B. der Einlegung der Berufung, erfolgt ist, kommt es nicht an. Denn der Rechtsanwalt muss im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich stets auch alle weiteren unerledigten Fris...