Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch einer Arbeitnehmerin auf Schadensersatz wegen Altersdikriminierung wegen Nichtberücksichtigung bei einer Stellenausschreibung
Leitsatz (amtlich)
Der Text "erste Führungserfahrung" in einer Stellenausschreibung verweist nicht auf einen bestimmten Lebenszeitkorridor und stellt somit kein vermutungsbegründendes Indiz für eine Benachteiligung wegen des Alters dar.
Normenkette
AGG §§ 1, 3, 7, 22, 15, 7 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 25.10.2023; Aktenzeichen 4 Ca 790/23) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 25.10.2023 - 4 Ca 790/23 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch, den der Kläger mit der Auffassung geltend macht, die Beklagte habe ihn wegen seines Alters diskriminiert.
Die Beklagte suchte per Stellenausschreibung eine/n Managementtrainer/-in mit Vertriebsverantwortung (m/w/d). Die Stellenausschreibung hatte folgenden maßgeblichen Inhalt (Anl. K1 zur Klageschrift, Bl. 10 der Akte):
Sie bringen Folgendes mit:
• Erste Erfahrung in Führungspositionen
• Erfahrungen im Vertrieb von Dienstleistungen im B2B-Bereich
Der Kläger ist am 1967 geboren, war zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Kammertermins also 56 Jahre alt. Er bewarb sich auf die besagte Stellenausschreibung. Die Beklagte bestätigte den Eingang der Bewerbung unter dem 23.01.2023 um 9:31 Uhr wie folgt (Anlage K 3, Bl.14 der Akte):
Sehr geehrter Herr R, über Ihr Vertrauen und Ihr Interesse an unserem Unternehmen und der ausgeschriebenen Position freuen wir uns sehr. Gern erhalten Sie die Bestätigung, dass Ihre Unterlagen bei uns eingegangen sind. Die Bearbeitung der gesamten Bewerbungsunterlagen wird etwas Zeit in Anspruch nehmen. Wir bitten Sie daher um etwas Geduld und kommen schnellstmöglich mit einem Feedback auf Sie zu. Ihnen bis dahin eine gute Zeit!
Unter dem 07.02.2023, also gut zwei Wochen später, erhielt der Kläger gegen 16:09 Uhr eine Absage der Beklagten wie folgt (Anl. K4, Bl. 16 der Akte):
Sehr geehrter Herr R, Ihre Vita haben wir mit Interesse studiert und Ihr Vertrauen und Ihre Offenheit schätzen wir sehr. Leider müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass wir Sie nicht in die engere Auswahl nehmen konnten. Bitte werten Sie dies nicht als Bewertung Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten. Gerade bei einer Vielzahl an Bewerbungen führen oft Details zu einer Entscheidung. Für Ihren weiteren Berufsweg wünschen wir Ihnen viel Erfolg sowie alles Gute für Ihre persönliche Zukunft.
Der Kläger antwortete unter dem 07.02.2023 per E-Mail (Anl. K6, Bl. 19 der Akte):
[...] im Nachgang zu meiner letzten Mail: Würden Sie mir bitte schreiben, wo meine Qualifikationen nicht zu den Anforderungen gepasst haben bzw. was Sie objektiv bewogen hat, mich so frühzeitig auszusortieren. Wie Sie dem AGG entnehmen können, habe ich das Recht, eine detaillierte Ablehnungsbegründung zu erhalten. Ich erbitte um kurzfristige Übermittlung Ihre Begründung.
Sodann schrieb der Kläger unter dem 09.02.2023 (Anl. K6, Bl. 19 der Akte):
[...] darf ich noch einmal an mein Anliegen bzgl. der Dokumentation erinnern. Dass ich bislang keine Antwort erhalten habe, bestärkt mich in meinem Verdacht, dass es gar keine objektiven Ablehnungsgründe gibt. Ich werde darum das Thema weiterverfolgen.
Die Beklagte teilte dem Kläger die Gründe für die Ablehnung nicht mit. Ausweislich der Statusmeldung auf LinkedIn lagen 17 Bewerbungen vor. Die Beklagte schrieb sodann die Stelle erneut aus. Ausweislich der Statusmeldung haben sich noch einmal fünf Bewerber beworben.
Mit Schreiben vom 15.03.2023 machte der Kläger den streitgegenständlichen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten außergerichtlich geltend und setzte eine Frist bis zum 30.03.2023.
Mit der am 18.05.2023 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und die Zahlung einer Entschädigung wegen einer nach seiner Auffassung bestehenden Diskriminierung aufgrund seines Alters gefordert.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, er nehme es der Beklagte nicht ab, wenn sie behaupte, die Position sei nur deshalb erneut ausgeschrieben worden, weil die bezahlte Stellenausschreibung abgelaufen gewesen sei. Auch bestreite er die Behauptung der Beklagten, die Stelle sei bis heute unbesetzt. Bereits das erste Kriterium in der Stellenanzeige "erste Erfahrungen in Führungspositionen" führe nach seiner Auffassung zu einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters. Durch die Vorgabe der ersten Erfahrungen in Führungspositionen habe die Beklagte einen gewünschten Alterskorridor vorgegeben, wonach die Bewerber ca. 38-42 Jahre alt sein sollten, während alle übrigen Bewerber, die also entweder jünger als der Zielkorridor oder - wie er - älter seien, direkt aus dem Bewerbungsverfahren aussortiert würden. Jüngere Bewerber könnten in den deutschen stark von Hierarchie geprägten Unternehmen ...