Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung, Vorrang der Änderungskündigung, Verhandlungslösung
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch die Option der sog. Verhandlungslösung vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung dürfen die Rechte des Arbeitsnehmers aus § 2 KSchG nicht verkürzt werden.
2. Der Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung gebietet es, eine mögliche Änderungskündigung zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch dann auszusprechen, wenn der Arbeitnehmer eine zuvor angebotene einverständliche Abänderung des Arbeitsvertrags abgelehnt hat (teilweise abweichend von BAG 27.09.1984 – AZR 62/83 NZA 1985, 455).
Normenkette
KSchG §§ 2, 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 25.02.2003; Aktenzeichen 5 Ca 2499/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 25.02.2003 – 5 Ca 2499/02 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 22.05.2002 nicht zum 31.12.2002 aufgelöst worden ist.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/5 und der Beklagten zu 4/5 auferlegt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der am 01.09.1949 geborene Kläger war seit dem 01.07.1974 für die Beklagte, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Mit Wirkung vom 01.01.1989 übernahm er die Position des Leiters der EDV. Zum 01.07.1991 wurde er zum Hauptabteilungsleiter Informationsverarbeitung ernannt und erhielt Gesamtprokura. Sein Jahresverdienst betrug zuletzt 138.681,89 EUR brutto. Im Rahmen einer Neustrukturierung der kaufmännischen Bereiche des Unternehmens unterhalb der Geschäftsführerebene bzw. – nach Änderung der Rechtsform -der Vorstandsebene bildete die Beklagte im Jahre 2001 sog. Bereiche, wobei der Bereich Informationstechnologie und Organisation zunächst vom sog. Bereichsleiter R, später von dem Mitarbeiter P geführt wurde, dem der Kläger ausweislich des Organigramms vom April 2001, (Kopie Blatt 245 d. A.) mit der Hauptabteilung „Anwendungen” unterstellt sein sollte. Die Aufgaben des Herrn P als „Bereichsleiter Informationstechnologie und Organisation” sind in einem Stellenprofil vom 01.01.2002 (Kopie Blatt 32 d. A.) beschrieben.
Im Zuge weiterer Strukturänderungen wurde die Titulierung der Hierarchieebene „Bereichsleiter Informationstechnologie
und Organisation” geändert in „Hauptabteilungsleiter Informationstechnologie/Organisation”. Die Stelle blieb mit Herrn P besetzt.
Mit Schreiben vom 21.03.2002 (Blatt 54 d. A.) bot die Beklagte dem Kläger eine Beschäftigung als „Prozesskoordinator Umwelt/Technik” an und übersandte einen entsprechenden AT-Anstellungsvertrag (Kopie Blatt 46 ff. d. A.), der ein Entgelt in Höhe von 68.900,00 EUR (13 × 5.300,00 EUR) vorsah. Der an sich verhandlungsbereite Kläger, der
seinerseits etwa mit einer Reduzierung des Jahresgehalts auf 100.000,00 EUR plus Dienstwagen einverstanden gewesen wäre, lehnte das Änderungsangebot schließlich wegen der damit verbundenen Gehaltsminderung in einem Gespräch am 13.05.2002 ab.
Noch unter dem 13.05.2002 hörte die Beklagte daraufhin den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer Beendigungskündigung an (Kopie Blatt 36 d. A.). Der Betriebsrat widersprach der Kündigung vom 21.05.2002 unter Hinweis darauf, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich sei und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt habe (Kopie Blatt 37 d. A.).
Mit Schreiben vom 22.05.2002 (Kopie Blatt 6 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß aus betrieblichen Gründen zum 31.12.2002. Mit seiner am 05.06.2002 erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, weil seine bisherigen Aufgaben nicht entfallen sein, diese vielmehr von dem neu eingestellten und wesentlich jüngeren Herrn P übernommen worden seien. Die dem jetzigen Stelleninhaber zusätzlich zugeschriebenen Aufgaben könne er ebenfalls erledigen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 22.05.2002 nicht zum 31.12.2002 aufgelöst worden ist;
- im Falle des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei betriebsbedingt gerechtfertigt, weil der Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos entfallen sei. Sie habe den Betrieb einer umfassenden Strukturänderung unterworfen und dabei auch den sog.
Overhead-Bereich neu organisiert. In diesem Zusammenhang sei die vom Kläger...