Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Personenbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Durchführung betriebliches Eingliederungsmanagement
Leitsatz (amtlich)
Krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Leitsatz (redaktionell)
Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat in drei Stufen zu erfolgen. Zunächst bedarf es einer negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers. Sodann ist zu überprüfen, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe der Interessenabwägung wird geprüft, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Leistung des Arbeitgebers führen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3; SGB IX § 84 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 25.04.2013; Aktenzeichen 10 Ca 6996/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2013 - 10 Ca 6996/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung und die Pflicht zur Weiterbeschäftigung.
Die am 1979 geborene Klägerin, ledig, ist seit dem Oktober 2007 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern als Luftsicherheitsassistentin beschäftigt. Zusammen mit ihrer Schwester kümmert sie sich um ihre pflegbedürftige Mutter.
Die Klägerin fehlte krankheitsbedingt seit dem Jahre 2009 wie folgt:
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2009 75 Tage,
davon 64 mit Lohnfortzahlung (LFZ) in Höhe von 4.726,95 €
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2010 72 Tage,
davon 64 mit LFZ in Höhe von 5.481,40 €
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2011 166 Tage,
davon 128 mit LFZ in Höhe von 11.726,21 €
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2012 (bis 31.07) 63 Tage,
davon 58 mit LFZ in Höhe von 5.936,60 €
Im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) gab die Klägerin im August 2011 als Gründe für ihre häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten an, dass sie an psychosomatischen Störungen wegen des Todes ihres Vaters und Stress wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten leide. Die Beklagte empfahl darauf hin folgende BEM-Maßnahmen: Beratungsgespräch mit dem Betriebsarzt (Aktualisierung Impfstatus), Einteilung in Schichten nur noch ab 9.00 Uhr und Gesundheitskurs Yoga zur Entspannung und Stressreduzierung. Der Dienstplan wurde entsprechend angepasst und die Klägerin nahm an einem Gesundheitskurs Pilates teil. Nachdem in der Folgezeit weiterhin krankheitsbedingte Fehlzeiten auftraten erfolgte unter dem 31.05.2012 ein Abschlussgespräch, in dem die Klägerin keine Erklärung abgab.
Die Beklagte sah das BEM als gescheitert an und hörte unter dem 15.08.2012 den Betriebsrat schriftlich zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an (Bl. 51 ff. d. A.)
Unter dem 27.08.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2012.
Die Parteien vereinbarten mit Wirkung ab dem 01.10.2012 ein Prozessarbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.04.2013 (Bl. 113 ff. d. A.) die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe die durch die in der Vergangenheit angefallenen Fehlzeiten indizierte negative Gesundheitsprognose nicht zu widerlegen vermocht. Die betrieblichen Interessen seien durch die zu erwartenden Lohnfortzahlungskosten erheblich beeinträchtigt und der Beklagten nicht zumutbar. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines BEM ordnungsgemäß nachgekommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbingens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihr am 23.05.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.06.2013 Berufung eingelegt und diese am 18.07.2013 begründet.
Die Klägerin hält sich für gesund und beruft sich auf das "Zeugnis der behandelnden Ärzte unter Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht". Eine negative Gesundheitsprognose sei im Übrigen arbeitsplatzbedingt, was sich am Krankenstand im Betrieb der Beklagten zeige. Das durchgeführte BEM und die empfohlenen Maßnahmen seien von vornherein ungeeignet gewesen, weitere krankheitsbedingte Ausfälle zu vermeiden. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil ihm der allgemeine Krankenstand im Betrieb nicht mitgeteilt worden sei. Auf Anregung des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin eine Auskunft ihrer Krankenkasse über Art und Dauer der Arbeitsunfähigkeitszeiten (Bl. 217 ff. d. A.) vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
1.
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln 25.04.2013, Az.: 10 Ca 6996/12 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 27.08.2012 zum 30.09.2012 oder zum nächstmöglichen Zeitpunkt sein Ende gefunden hat, sondern zu...