Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Zustellung eines Urteils. Heilung durch nachträgliche Erteilung einer Prozeßvollmacht
Leitsatz (amtlich)
Stellt das Arbeitsgericht das Urteil einem Rechtsanwalt zu, dem die Partei wirksam die Prozeßvollmacht entzogen hat, so ist die Zustellung unwirksam. Sie wird nicht dadurch geheilt, daß die Partei dem Rechtsanwalt nachträglich wieder Prozeßvollmacht erteilt.
Normenkette
ArbGG § 64 Abs. 6; ZPO §§ 516, 176
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 30.03.1995; Aktenzeichen 5 Ca 1761/94) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 30.03.1995 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 5 Ca 1761/94 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 14.10.1985 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von etwa 3.000,00 DM beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.05.1994 fristlos gekündigt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Beklagte durch außerordentliche Kündigung vom 17.05.1994 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 17.05.1994 mit dem gleichen Arbeits- und Aufgabenbereich fortbesteht;
- festzustellen, daß auch eine fristgerechte Kündigung des Arbeitnehmerverhältnisses zwischen den Parteien nicht gerechtfertigt ist, mithin das Arbeitsverhältnis auch durch eine solche Kündigung nicht beendet wurde, sondern mit dem gleichen Arbeits- und Aufgabenbereich fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, aufgrund der Mitteilung eines anderen Arbeitnehmers habe sie am 03.05.1994 davon ausgehen müssen, daß ein Unbekannter den Diebstahl von Kupferblechstreifen plane, da etwa 10 2m-Streifen von Kupferblech einer Palette entnommen worden und durch einen Maschendrahtzaun außerhalb des Betriebsgeländes auf den Wirtschaftsweg geschoben worden seien. Nach dem Ende der regulären Schicht habe die Beklagte zunächst versucht, die Polizei bzw. den beauftragten Sicherheitsdienst einzuschalten. Nachdem beide abgelehnt hätten, hätten Mitarbeiter der Beklagten bis 23.30 Uhr Wache gehalten. Die Mitarbeiter M. und K. seien sodann nochmals zur Kontrolle den Feldweg zum angrenzenden Schützenhaus abgefahren und mit dem PKW des Zeugen M. bei ausgeschaltetem Licht auf dem Schützenplatz stehengeblieben. Die Mitarbeiter M. und K. hätten sodann den PKW des Klägers, ein schwarzes Ford-Escort Cabrio, in Richtung Schützenhaus kommen sehen. Beide Mitarbeiter hätten sodann eindeutig den Kläger als Fahrer identifiziert. Nachdem der Kläger das Fahrzeug des Zeugen M. erkannt habe, habe er versucht, überstürzt zu fliehen. Als der Zeuge M. versucht habe, dem Kläger den Weg abzuschneiden, habe der Kläger eine schmale Lücke durch Durchfahrt gefunden, sei aber mit einer Frontecke auf den Vorderreifen des Zeugen und mit dem rechten Hinterrad gegen die Bordsteinkante geprallt. Die Zeugen M. und K. hätten daraufhin sofort die Polizei benachrichtigt; aufgrund eines „Buchstabenverdrehers” bei dem von ihnen angegebenen Kennzeichen sei dabei allerdings nicht sofort der Wagen des Klägers identifiziert worden. Eine spätere Überprüfung des PKW des Klägers habe allerdings ergeben, daß neben drei älteren und verstaubten Felgen eine saubere Felge am rechten Hinterrad montiert war.
Der Kläger hat erwidert: Es sei unzutreffend, daß er sich am Abend bzw. in der Nacht vom 03. auf den 04.05.1994 in der Nähe des Betriebsgeländes der Beklagten aufgehalten habe. Der Alfterer Weg zum Schützenhaus sei zum damaligen Zeitpunkt ohnehin nicht mit einem PKW befahrbar gewesen.
Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen M. und K. abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat es als erwiesen angesehen, daß der Kläger den Versuch unternommen habe, Gegenstände, die im Eigentum der Beklagten standen, zu entwenden.
Gegen dieses Urteil wendet der Kläger sich mit seiner Berufung.
Er bestreitet im zweiten Rechtszug erneut, daß die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung vom 17.05.1994 ordnungsgemäß angehört habe. Der Betriebsrat habe nämlich im Rahmen des Anhörungsverfahrens lediglich das Schreiben der Beklagten vom 10.05.1994, nicht jedoch eine angeblich beiliegende Aktennotiz vom 04.05.1994 erhalten. Dieses Schreiben sei dem Betriebsrat erst einige Zeit nach Ausspruch der Kündigung von der damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugeleitet worden. Im übrigen sei die Anhörung nur zu einer Verdachtskündigung, nicht jedoch zu dem Tatbestand des versuchten Diebstahls erfolgt. Der pauschale Hinweis der Beklagten, die Kündigung werde auch als Verdachtskündigung ausgesprochen, reiche zur Überprüfung einer solchen Kündigung nicht aus.
Da der Kläger Material gegen eine geringe Gebühr habe mit nach Hause nehmen können, habe für ihn nicht der geringste Grund bestanden, die Kupferstreifen zu entwenden. Es sei zudem möglich, daß die Kupferstreifen von den Paletten heruntergefallen und auch über oder durc...