Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Löschung von Daten auf einem Dienst-PC
Leitsatz (redaktionell)
1. Die fristlose, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann nicht darauf gestützt werden, dass der Arbeitnehmer Daten auf einem Dienst-PC gelöscht hat, wenn nicht zu widerlegen ist, dass es sich bei den gelöschten Daten um Kopien gehandelt hat, ein endgültiger Informationsverlust nicht eingetreten ist und im Übrigen ein erheblicher Nachteil des Arbeitgebers nicht feststellbar ist, welche Dateien gespeichert waren und dass diese tatsächlich unvollständig waren.
2. Jedoch ist dem Auflösungsantrag des Arbeitgebers zu entsprechen, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer Klage auf Mehrarbeitsvergütung bewusst falsche Angaben gemacht und hierdurch versucht hat, sich einen unrechtmäßige Vorteil zu Lasten des Arbeitgebers zu verschaffen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, §§ 9-10; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 05.08.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1446/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und auf den Auflösungsantrag der Beklagten wird unter Zurückweisung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.08.2015 - 4 Ca 1446/14 G - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.05.2014 aufgelöst worden ist.
Auf Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2014 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 15.000,00 € brutto zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
Der Kläger wird auf die Widerklage hin verurteilt, an die Beklagte 1.069,30 € nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2014 zu zahlen.
Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz werden dem Kläger zu 79 % und der Beklagten zu 21 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 86 % und die Beklagte zu 14 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Kündigungen des Arbeitsverhältnisses, einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, die Entfernung einer Abmahnung sowie die Rückforderung überzahlter Krankenbezüge.
Der am 1960 geborene Kläger, verheiratet und Vater eines minderjährigen Kindes, ist seit dem 01.07.2011 bei der beklagten K als Verwaltungsleiter eines B beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 155 Arbeitnehmer. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach § 2 des Dienstvertrags vom 22.02.2011 die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des D C " (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Dienstvertrages wird auf Bl. 15 f. d. A. verwiesen. Die Aufgaben des Verwaltungsleiters sind in der Dienstanweisung für die Leitung des B vom 27.07.1993 (DA 1993) niedergelegt. Die Leitung erfolgt nach dem Kollegialprinzip. Der Heimleiter ist verantwortlich für Pädagogik/Therapie und Pflege, der Verwaltungsleiter trägt Verantwortung für Wirtschaft und Verwaltung. Wegen der weiteren Einzelheiten der DA 1993 wird auf Bl. 17 ff. d. A. Bezug genommen.
Im Jahre 2013 traten krankheitsbedingte Fehlzeiten des Klägers auf. Der Kläger hatte Arzttermine, Termine der Krankengymnastik, Akupunktur sowie Osteopathie wahrzunehmen. Seit dem Dezember 2013 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Am 06.02.2014 hat ein Mitglied des Kirchenvorstands der Beklagten, der zugleich Mitarbeiter eines Jobcenters ist, auf die Datenbank der B f A zugegriffen und nach Daten des Klägers recherchiert.
Mit Schreiben vom 03.03.2014 der Firma h -s erhielt der Kläger anlässlich eines Virenbefalls der Rechner des B eine CD mit dem Antivirenprogramm AVIRA, mit dem er die Festplatte seines dienstliches Notebooks, welches er auch zu privaten Zwecken nutzen durfte, gescannt hat.
Mit Schreiben vom 04.03.2014 (Bl. 184 f. d. A.) hat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements eingeladen. Der Kläger lehnte die vorgeschlagenen Gesprächstermine mit Schreiben vom 05.03.2014 (Bl. 190 d.A.) ab. Er wolle zunächst den behandelnden Arzt um eine Stellungnahme bitten, ob eine Wiedereingliederung bei seinem derzeitigen Gesundheitszustand sinnvoll sei.
Unter dem 04.04.2014 (Bl. 23 f. d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, weil er sich geweigert habe, notwendige Zugangsdaten für das Programm Easy Reports mitzuteilen. Zugleich bat sie u.a. um die Rückgabe des dienstlichen Notebooks unter Mitteilung des Passwortes. Der Kläger verfasste unter dem 09.04.2014 (Bl. 25 ff. d. A.) eine ausführliche Gegendarstellung zu den Vorhaltungen der Abmahnung und gab am 11.04.2014 das Notebook mit dem Kennwort "Pharisäer_2014" zurück.
Die Firma ...