Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erkrankung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Im Kündigungsschutzprozess wegen einer mit einer Erkrankung des Arbeitnehmers begründeten Kündigung hat der Arbeitgeber darzulegen, dass die betrieblichen Interessen durch die Übertragung von Aufgaben des Klägers auf Arbeitskollegen erheblich beeinträchtigt werden und inwiefern diese Zusatzleistungen für den behaupteten Anstieg des Überstundenkontos verantwortlich waren (hier: verneint).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, §§ 9-10; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 02.09.2014; Aktenzeichen 12 Ca 8466/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.09.2014 – 12 Ca 8466/11 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.10.2011 beendet worden ist.
Auf den Auflösungsantrag der Beklagten hin wird das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2012 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 30.000,00 € brutto aufgelöst.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung und einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers.
Der am . .19 geborene Kläger, ledig, ist seit dem 01.04.1989 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.12.2000 (Bl. 3 ff. d. A.). Unter Berücksichtigung des Dienstes bei der Bundeswehr besteht eine Beschäftigung ab dem 04.01.1988.
Im Jahre 1988 hat der Kläger einen Suizidversuch unternommen. Die familiäre Lebenssituation war in jener Zeit angespannt.
Bis zum Dezember 1992 wurde der Kläger im Kraftwerk D , sodann bis zum 31.12.2000 im Versuchskraftwerk Karl GmbH und ab dem Januar 2001 im Kernkraftwerk B
Ab dem 01.07.2004 erfolgte die Beschäftigung als Sicherheitstechniker in der Unternehmenszentrale in der Abteilung Arbeitssicherung. Am 18.11.2005 erhielt der Kläger den Fachkundenachweis als Sicherheitsfachkraft. Anfang 2006 war der Kläger vorübergehend im Kernkraftwerk M eingesetzt. Mit Wirkung vom 06.09.2007 hat die Beklagte den Kläger von der Funktion als Fachkraft für Arbeitssicherheit entbunden (Bl. 147 d. A.).
Seit dem 07.12.2007 ist der Kläger als Schwerbehinderter mit dem Grad einer Behinderung von 50 anerkannt. Laut Abhilfebescheid vom 02.09.2008 (Bl. 800 ff. d. A.) sind folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen festgestellt: Persönlichkeitsstörung, Refluxkrankheit, Wirbelsäulensyndrom, Allergisches Asthma bronchiale, Veränderungen des Vestibularisorgans.
Unter dem 27.10.2008 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Für den Zeitraum vom 20.10.2008 bis zum 23.03.2009 hat die Beklagte den Kläger vom Dienst suspendiert.
In der Zeit vom 24.03.2009 bis zum 25.05.2009 wurde der Kläger teilstationär in der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Landschaftsverband (LVR) K , behandelt. Die Diagnose lautete zuletzt „rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Störung der Impulskontrolle“.
Im Nachgang zur teilstationären Behandlung erfolgte die Behandlung durch den Facharzt für Psychiatrie Dr. Ba .
Ausweislich sozialmedizinischem Gutachten vom 30.09.2009 des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) N , Dr. med. H , lauten die Diagnosen „F 60.3 Persönlichkeitsakzentuierung, PS mit emotional instabilen und impulsiven Verhaltensweisen; F 33.8 überwiegend remittierte depressive Störung“. Der Gutachter Dr. med. H empfahl eine stufenweise Wiedereingliederung. Die Wiedereingliederung wie auch die weitere Beschäftigung des Klägers sollten möglichst in einem konfliktfreien Klima, d. h. möglichst in einer anderen Abteilung mit anderen Vorgesetzten erfolgen. Eine längerfristige Fortsetzung einer störungsspezifischen Psychotherapie werde unbedingt empfohlen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens vom 30.09.2009 wird auf Bl. 83 ff. d. A. verwiesen.
Im Zeitraum Oktober 2009 bis Dezember 2009 erfolgte die stufenweise Wiedereingliederung des Klägers am alten Arbeitsplatz.
Im Oktober 2010 nahm die Beklagte den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses beim Integrationsamt zurück.
Ab dem 04.11.2010 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Die Beklagte stellte unter dem 17.02.2011 beim Integrationsamt einen erneuten Antrag auf Zustimmung zur Kündigung. Wegen der Einzelheiten des Antrags wird auf Bl. 32 ff. d. A. Bezug genommen.
Das Integrationsamt hat mit Bescheid vom 12.10.2011 die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung erteilt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 35 ff. d. A. verwiesen. Die Zustimmung ist nicht rechtskräftig, ein verwaltungsgerichtliches Verfahren ist anhängig (VG Köln – 7 K 6925/12 -).
Mit Schreiben vom 14.10.2011 hörte die Beklagte den Betriebsrat und...