Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung zur Einräumung einer Bewährungschance
Leitsatz (amtlich)
1. Die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist auch unter der Geltung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes möglich, sofern für die Befristungsabrede ein sachlicher Grund i. S. von § 14 Abs. 1 TzBfG besteht.
2. Die Aufzählung der sachlichen Gründe für die Befristung von Arbeitsverträgen in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist nicht abschließend (im Anschluss an BAG, Urteil vom 13.10.2004 – 7 AZR 218/04, AP Nr. 14 zu § 14 TzBfG; BAG, Urteil vom 16.03.2005 – 7 AZR 289/04, AP Nr. 16 zu § 14 TzBfG).
3. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einem zuvor wegen Vertragspflichtverletzungen arbeitgeberseitig gekündigtem Arbeitnehmer kann i. S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein, wenn dem Arbeitnehmer damit eine Bewährungschance hinsichtlich eines (künftigen) vertragsgerechten Verhaltens eingeräumt werden soll (ähnlich LAG Köln, Urteil vom 05.03.1998 – 10 Sa 1229/97, NZA 1999, 321).
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 10.01.2007; Aktenzeichen 4 Ca 2785/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.01.2007 – 4 Ca 2785/06 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristungsabrede.
Die am 19.08.1965 geborene Klägerin wurde von der Beklagten auf der Grundlage eines mit dem 27.07.1990 datierten Arbeitsvertrags zum 01.09.1990 als vollbeschäftigte Bürokraft bei dem Gesamtdeutschen Institut der Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben eingestellt. Zum 01.01.1992 wurde sie in die Bundeszentrale für politische Bildung versetzt. Seit dem 24.11.2003 befindet sich die Klägerin auf Grund von psychischen Problemen in psychotherapeutischer Behandlung. Im Jahre 2005 erteilte ihr die Beklagte mehrere Abmahnungen wegen Nichteinhaltung der Kernarbeitszeiten bzw. der festen Arbeitszeiten. In einer Bescheinigung der die Klägerin behandelnden Psychologin vom 08.03.2006 heißt es u.a.:
„Die Probleme erscheinen so groß, dass es Frau Wolber aus gesundheitlichen Grünen derzeit unmöglich ist, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten zur pünktlichen Aufnahme des Dienstes nachzukommen.
Frau W ist eingeschränkt arbeitsfähig, sollte zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber vor besonderen Stresssituationen verschont bleiben.
Es besteht Krankheitseinsicht – bisher konnten in der Behandlung in dieser Hinsicht kaum erkennbare Fortschritte erzielt werden.
Prognose
Da Frau W krankheitseinsichtig ist, werden z.Z. unterschiedliche Behandlungsmethoden geprüft, die bei aktiver Mithilfe der Patientin durchaus zum Erfolg führen können.”
Mit Schreiben vom 09.03.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „nach § 34 TVöD i.V. mit § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich mit einer Auslauffrist bis zum 31.03.2006”. Am 30.03.2006 schlossen die Parteien für die Zeit vom 01.04. bis zum 30.09.2006 einen befristeten Arbeitsvertrag, dessen § 1 Abs. 2 wie folgt lautet:
„Das Arbeitsverhältnis dient der Erprobung, ob es Frau W gelingt, ihr Verhalten, das zur Kündigung vom 09.03.2006 geführt hat, nachhaltig und dauerhaft zu ändern. Ist dies der Fall, wird das Arbeitsverhältnis im Anschluss unbefristet und zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt. Die Kriterien, an denen der Erfolg der Vertragsbemühungen gemessen wird, sind in dem Schreiben vom 1. April 2006 niedergelegt.”
In den Monaten April bis einschließlich Juli 2006 erschien die Klägerin weitgehend nicht pünktlich zur Arbeit. In einem Personalgespräch am 07.09.2006 teilte der Dienstvorgesetzte der Klägerin dieser mit, dass er wegen der Nichterfüllung der im Schreiben vom 01.04.2006 genannten Kriterien keine Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung sehe.
Mit ihrer am 02.10.2006 vorab per Telefax beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Klage vom selben Tag hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sie über den 30.09.2006 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten steht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Befristungsabrede im Vertrag vom 30.03.2006 sei unwirksam, da sie gegen § 14 Abs. 2 TzBfG und § 30 Abs. 1 TVöD verstoße. Die Erprobung hätte während der ordentlichen Kündigungsfrist ab dem 01.04.2006 erfolgen können. Wie der Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags zeige, sei es der Beklagten zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.2006 fortzusetzen. Diese Zeit hätte für eine Erprobung genutzt werden können. Stattdessen habe die Beklagte für den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen. Damit fehle es aber bereits an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie, die Klägerin, dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags zugestimmt habe, da die Vorschriften des TzBfG nicht zur Disposition der Arbei...