Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Annahmeverzug des Arbeitgebers bei Anordnung von Ruhepausen. Ruhepausen i.S.d. § 4 ArbZG. Auslegung von Betriebsvereinbarungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Annahmeverzug liegt nicht vor, wenn der Arbeitgeber die ihm nach § 4 ArbZG obliegende Pflicht wahrnimmt, den Arbeitnehmer anzuweisen, die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und mindestens 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Dem entspricht das gesetzliche Gebot, dass Arbeitnehmer nicht länger als sechs Stunden hintereinander ohne Ruhepause beschäftigt werden dürfen.

2. Ruhepausen müssen im Voraus feststehen. Es muss sich um Arbeitszeit handeln, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat. Er muss frei darüber entscheiden können, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal der Ruhepause ist, dass der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zur Arbeit bereitzuhalten, freigestellt ist.

3. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist demnach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem in ihnen vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen.

 

Normenkette

BGB §§ 296-297, 615; ArbZG §§ 3-4; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 15.09.2011; Aktenzeichen 8 Ca 5638/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.09.2011 - 8 Ca 5638/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 720,43 €brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2011 zu zahlen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 67,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2011 zu zahlen.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 94,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2011 zu zahlen.
  4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 4 % und die Beklagte 96 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütung für sogenannte "Breakstunden", um Sonn- und Feiertagszuschläge für solche Breakstunden und schließlich um Zuschläge für Arbeit anlässlich von Freischichten im Mai und Juni 2011.

Der Kläger ist seit dem 01.04.2002 auf dem Flughafen K /B als Flugsicherheitskraft tätig. Am 01.01.2009 ging das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

Die Beklagte beschäftigt rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Flugsicherheitskontrolle am Flughafen K /B .

Bei den umstrittenen "Breakstunden" handelt es sich um Unterbrechungszeiten, die während der jeweiligen Schicht auf Anweisung der Beklagten anfallen. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob sich die Beklagte während dieser Unterbrechungen in Annahmeverzug befindet oder ob diese Unterbrechungen rechtlich als Pausen im Sinne des § 4 ArbZG einzustufen sind, in denen keine Vergütungspflicht besteht.

Im Betrieb der Beklagten war durch Spruch einer Einigungsstelle vom 11.03.2010 eine Betriebsvereinbarung "Dienst- und Pausenplanung" zustande gekommen. Wegen des genauen Inhalts wird auf Bl. 73 ff. d. A. Bezug genommen.

Diese Betriebsvereinbarung war angefochten worden. Im Anfechtungsverfahren schlossen die Betriebsparteien vor dem Arbeitsgericht Köln am 09.06.2010 folgenden Vergleich:

1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 01.03.2010 unwirksam ist.

2. Die Beteiligten werden unverzüglich in Verhandlungen zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung zu diesem Regelungsgegenstand treten. Sollte eine Einigung nicht zustande kommen, erklären sich beide Beteiligten mit Herrn Direktor des Arbeitsgerichts Bonn, Loehr-Steinhaus, als Vorsitzender der Einigungsstelle einverstanden. Die Einigungsstelle tagt in der Besetzung mit jeweils vier Beisitzern, darunter höchstens ein Rechtsanwalt.

3. Für die Übergangszeit findet der Spruch vom 01.03.2010 mit Ausnahme der Nr. 3 (Pausenregelung) Anwendung. Für die Übergangszeit treffen die Beteiligten eine Pausenregelung wie folgt:

Die gesetzliche Pause hat in einem Zeitfenster mit Beginn der 3. Arbeitsstunde bis zum Abschluss der 7. Arbeitsstunde zu liegen. Der genaue Zeitpunkt der Pause ist dem Mitarbeiter vor Dienstbeginn verbindlich mitzuteilen.

4. Damit findet das Verfahren - 7 BV 67/10 - sein Ende.

5. Beiden Beteiligten bleibt vorbehalten, diesen Vergleich durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Ar...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?