Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz. Betriebsübergang. Massearmut

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Insolvenzverwalter einen Betrieb vollständig zerschlagen und stillgelegt, so führt eine „Rekonstruktion” des Betriebs durch Erwerb der Betriebsmittel von Dritten durch einen neuen „Betriebsinhaber” nicht zu einem Betriebsübergang.

 

Normenkette

KSchG § 1; InsO § 113

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 25.02.2004; Aktenzeichen 5 Ca 1092/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.07.2006; Aktenzeichen 8 AZR 370/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 25.02.2004 – 5 Ca 1092/03 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet.

3. Im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 17.03.2003, einer Kündigung des Insolvenzverwalters, des Beklagten zu 1) vom 17.04.2003 sowie um die Frage ob das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist und deshalb diese verpflichtet ist die Klägerin zu beschäftigen sowie über einen Wiedereinstellungsanspruch.

Die Klägerin, geboren im Jahr 1956, ledig, war bei der Gemeinschuldnerin seit dem 10.08.1992 als Sachbearbeiterin zu einer Bruttovergütung von 2329,45 EUR beschäftigt. Die Gemeinschuldnerin betrieb einen Möbeleinzelhandel in denselben Räumen, in denen sich nun der Betrieb der Beklagten zu 2) befindet. Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin war A Eigentümer des Betriebsgrundstücks war P. Das Grundstück haftete der F H als Sicherheit für Betriebskredite. Die Gemeinschuldnerin hatte zum Zeitpunkt der Kündigung ca. 20 Mitarbeiter. Die Möbel wurden im wesentlichen über eine Möbeleinkaufsgenossenschaft bei Herstellern geordert. Es wurde ein Vollsortiment vorgehalten, wobei für den Kunden die Möglichkeit bestand, auch Ware zu kaufen, welche nicht vorrätig und nicht im Eigentum der Geschäftsinhaberin war, sondern erst beim Hersteller geordert werden musste. Regelmäßig wurden die Möbel durch die Gemeinschuldnerin ausgeliefert und aufgebaut. Daneben gab es aber auch bereits einen Bereich für Mitnahmemöbel.

Ende des Jahres 2002 geriet der Betrieb der Gemeinschuldnerin in finanzielle Schwierigkeiten. Der Geschäftsführer entschloss sich im Januar 2003 einen Ausverkauf durchzuführen. Dabei bediente er sich der Firma S des Einzelkaufmanns W. Der Ausverkauf endete am 09.02.2003. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch nicht sämtliche Möbel abverkauft worden. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen war der weitere Verkauf nach diesem Zeitpunkt unzulässig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Geschäftsräume danach tatsächlich für das Publikum geschlossen waren, ob und in welchem Umfang danach mit Wissen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin noch neue Verkäufe getätigt wurden.

Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin stellte nach Ende des Ausverkaufs Insolvenzantrag und kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 17.03.2003 zum 31.08.2003. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der am 04.04.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. Sie stellte dabei als zweiten Antrag den allgemeinen Feststellungsantrag.

Am 15.04.2003 wurde die Insolvenz eröffnet. Das Verfahren war bereits kurz nach Eröffnung massearm.

Bis zur Insolvenzeröffnung waren unstreitig noch Auslieferungen von bereits zuvor gekauften Möbeln durchgeführt worden. Auch wurde noch eine Inventarliste erstellt. Ab etwa Mitte April war der Betrieb vollständig eingestellt. Am 17.04.2003 kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit der Kündigungsfrist aus § 113 S. 2 InsO zum 31.07.2003. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2004 wandte sich die Klägerin gegen diese Kündigung. Mit Eingang bei Gericht am 29.11.2003 nahm die Klägerin das Verfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter dem Beklagten zu 1) auf. Bereits mit Schriftsatz vom 10.09.2003 hatte sie die Klage gegen die Beklagte zu 2) erweitert, da sie der Ansicht ist, dass ein Betriebsübergang stattgefunden hat.

Der Insolvenzverwalter begründet die Kündigung damit, dass ebenso wie schon in der Kündigung der Gemeinschuldnerin zum Ausdruck gekommen, der Betrieb stillgelegt und aufgelöst werde. Er hat am 23.04.2003 die restlichen Möbel an den Einzelkaufmann K, der bereits den Ausverkauf durchgeführt hatte, veräußert. Das Betriebsgrundstück wurde nach Auflösung des Pachtvertrages an den Eigentümer, den Bruder des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin zurückgegeben. Auf Betreiben und mit Zustimmung der F wurde das Grundstück sodann von der Beklagten zu 2), die zwischenzeitlich von dem Einzelkaufmann K gegründet worden war und deren Geschäftsführer er nunmehr ist, angepachtet. Etwa Mitte Mai eröffnete die Beklagte zu 2) in den angepachteten Betriebsräumen wiederum einen Möbeleinzelhandel. Sie beschäftigte zunächst 10 Mitarbeiter, davon nach Vortrag der Klägerin 7 von ursprünglich ca. 20 Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin, nach Vortrag der Beklag...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge