Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Urlaubsanspruch bei langjähriger Erkrankung bzw. bei Erhalt einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente. Tarifliche Verfallfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Begrenzung des Urlaubsanspruchs bei langjähriger Erkrankung.
2. Zum Urlaubsanspruch für den Zeitraum befristeter Erwerbsunfähigkeitsrente.
3. Zur Geltung der tariflichen Verfallfrist des § 24 MTV Einzelhandel für den Urlaubsanspruch.
Normenkette
BUrlG §§ 1, 7; MTV Einzelhandel § 24
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.10.2011; Aktenzeichen 15 Ca 2619/11) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.10.2011 - 15 Ca 2619/11 - teilweise abgeändert.
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.274,55 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit 01.04.2011 zu zahlen.
2.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 92 % und die Beklagte zu 8 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin.
Die Klägerin war als Verkäuferin bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin im Zeitraum vom 01.03.1987 bis zum 31.03.2011 beschäftigt.
Ziffer 1 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 18.03.1987 regelt, dass die Bestimmungen des örtlichen maßgeblichen Tarifvertrages für den Einzelhandel einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen im Vertragsverhältnis der Parteien gelten.
Ziffer 24 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel NW lautet wie folgt:
Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen wie folgt:
. . .
b. Spätestens 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;
. . .
2. Abs. 2 die Ansprüche verfallen nicht, sofern sie innerhalb der vorgenannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind.
3. Vorstehende Fristen gelten als Ausschlussfristen.
Seit 1989 erfolgte keine Urlaubsgewährung gegenüber der Klägerin. Seither war die Klägerin durchgehend bis zum Arbeitsvertragsende arbeitsunfähig erkrankt. Auf der Grundlage der jeweiligen Rentenbescheide erhielt die Klägerin seit August 1988 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten Ende März 2011 Erwerbsunfähigkeitsrente.
Seit dem 18.05.1989 ist die Schwerbehinderung der Klägerin mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.
Gemäß Schreiben der Beklagten vom 06.11.2007 erhält eine bei ihr beschäftigte Verkäuferin mit der Eingruppierung in die Gehaltsgruppe 1 ein monatliches Einkommen von 1.077,77 € brutto.
Mit ihrer am 04.04.2011 beim Arbeitsgericht in Köln eingegangenen Klage vom 01.04.2011 verfolgt die Klägerin ihren bereits außergerichtlich mit Schreiben vom 14.03.2011 dem Grunde nach geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch weiter.
Sie hat geltend gemacht, ihr stünde für den Zeitraum von 1989 bis ins Jahr 2011 für 30 Tage Erholungsurlaub jährlich nebst einem Sonderurlaub für Schwerbehinderte von 5 Tagen pro Jahr - wobei für das Jahr 1989 lediglich ein Anteil von 7/12 zu berechnen sei - zu, was einen Zahlungsbetrag von 38.635,55 € ausmache. Ein Verfall wegen tariflicher Ausschlussfristen oder wegen Verjährung sei nicht eingetreten. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei erst mit Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entstanden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 38.635,55 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe auf der Grundlage der Rentenbescheide betreffend die Erwerbsunfähigkeitsrente im gesamten Zeitraum von August 1988 bis März 2011 durchgängig geruht. Im ruhenden Arbeitsverhältnis sei kein Urlaubsanspruch der Klägerin entstanden. Zudem sei ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 b des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel NW verfallen, da die Klägerin ihre jeweiligen jährlichen Urlaubsansprüche nicht bis 31.03. des jeweiligen Folgejahres geltend gemacht habe. Die schriftliche Geltendmachung ihrer Urlaubsansprüche sei nicht von deren Erfüllbarkeit abhängig. § 24 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel sei auch auf Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis anzuwenden.
Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 10.10.2011 - 15 Ca 2619/11 - die Klage teilweise für begründet gehalten. Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin sei in Höhe von 22.123,94 € brutto gegeben, da ein Verfall des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz mit Rücksicht auf die lang andauernde Erkrankung der Klägerin nicht gegeben sei. Ein Verfall nach § 24 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel NW sei ebenfalls nicht eingetret...