Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des pfändbaren Einkommens bei Privatnutzung des Dienst-Pkw eines Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Erhält der Schuldner neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen auch Naturalleistungen, so sind für die Berechnung des pfändbaren Einkommens gemäß § 850 e ZPO die Geld- und Naturalleistungen zusammenzurechnen. Der geldwerte Vorteil der Privatnutzung des Dienst-PKW ist eine Naturalleistung im Sinne dieser Vorschrift. Das der Berechnung der pfändbaren Beträge zugrunde zu legende Einkommen des Schuldners ist also die Summe aus den Bruttobezügen und dem geldwerten Vorteil für die Privatnutzung des PKW als Bruttosumme abzüglich der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die nach § 850e Nr. 1 ZPO als Abzugsposten zu berücksichtigen sind.
2. Bei der Ermittlung der Höhe der Einkünfte des Schuldners ist der geldwerte Vorteil der erlaubten Privatnutzung des Dienst-PKW nur aus steuerrechtlicher Sicht ein "Durchlaufposten" und daher nicht als Nettobetrag vom (Brutto-)Einkommen wieder abzuziehen.
3. Der Berücksichtigung des geldwerten Vorteils einer Sachleistung bei der Berechnung der Einkünfte des Schuldners steht nicht § 107 GewO entgegen, dem zufolge Arbeitsentgelt grundsätzlich in Euro zu berechnen und auszuzahlen ist, wenn der pfändbare Betrag, der sich aus der Tabelle zu § 850 c ZPO ergibt oder aus der Differenz zwischen einem im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ausdrücklich benannten pfändungsfreien Betrag und den Gesamteinkünften, den Wert der Sachleistung nicht übersteigt.
4. Die inhaltliche Überprüfung von bestandskräftigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen kommt im Rahmen der Drittschuldnerklage nicht in Betracht.
Normenkette
ZPO §§ 829, 835, 850c, 850d, 850e, 850f; GewO § 107; BGB § 611a
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 08.01.2020; Aktenzeichen 4 Ca 1102/19) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 08.01.2020 - 4 Ca 1102/19 - abgeändert und die Beklagte (ehemals Beklagte zu 2) verurteilt, an die Klägerin
für Februar 2019 einen Betrag iHv 321,61 €,
für März 2019 einen Betrag iHv 321,61 €,
für April 2019 einen Betrag iHv 321,61 €,
für Mai 2019 einen Betrag iHv 321,61 €,
für Juni 2019 einen Betrag iHv 321,61 €,
für Juli 2019 einen Betrag iHv 352,96 €,
für August 2019 einen Betrag iHv 352,96 €,
für September 2019 einen Betrag iHv 352,96 €
zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus den jeweiligen Monatsbeträgen ab dem jeweils dritten Werktag eines jeden Monats,
abzüglich der folgenden bereits geleisteten Zahlungen:
am 26.04.2019 9,61 EUR
am 28.05.2019 9,61 EUR
am 29.06.2019 9,61 EUR
am 29.07.2019 9,61 EUR
am 24.08.2019 53,09 EUR
am 26.09.2019 31,35 EUR
am 29.10.2019 50,57 EUR
am 28.11.2019 40,96 EUR
am 27.12.2020 40,96 EUR
am 29.01.2020 42,88 EUR
am 26.02.2020 42,88 EUR
am 27.03.2020 42,88 EUR
II.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung sowie einen Anteil von 77,5 % der Kosten erster Instanz; die Beklagte (ehemals Beklagte zu 2) trägt einen Anteil von 22,5 % der Kosten erster Instanz.
[berichtigt durch Beschluss vom 30.07.2020]
III.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Drittschuldnerklage über die Höhe des pfändbaren Betrages.
Der Streitverkündete ist Arbeitnehmer der Beklagten. Die Klägerin hat zumindest eine durch Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung gegen den Streitverkündeten. Mit dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.01.2012, der das Geschäftszeichen 11-9360834-0-7 trägt (der Fettdruck erfolgt nur hier und im Folgenden zur Verdeutlichung der Unterschiede), und der Vergütungsansprüche der Klägerin gegen den Streitverkündeten mit einer Hauptforderung in Höhe von 8.822,95 EUR zum Gegenstand hat, erwirkte die Klägerin beim Amtsgericht Rostock am 20.02.2019 unter dem dortigen Aktenzeichen 65 M 839/19 gegen die Beklagten (ursprünglich waren zwei Gesellschaften verklagt) einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, in dem es unter anderem heißt:
"Der monatliche pfandfreie Betrag wird gemäß § 850 d Abs. 2 ZPO auf 900,00 EUR festgesetzt."
Aus diesem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit dem Geschäftszeichen des Amtsgerichts Rostock 65 M 839/19 ist die Klägerin gegen die Beklagten vorgegangen. Dieser Beschluss ist Grundlage der vorliegenden Drittschuldnerklage. Ein Rechtsbehelf ist gegen den Beschluss nicht eingelegt worden, weder vom Schuldner noch von den Drittschuldnern, weder eine Erinnerung noch eine sofortige Beschwerde. Warum im Beschluss von Unterhaltsansprüchen (s.o. "§ 850 d Abs. 2 ZPO") die Rede ist, ergibt sich weder aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss noch aus anderen zur Akte gereichten Dokumenten.
Aus den zur Akte gereichten Dokumenten ergibt sich aber die Tatsache, dass in der Vergangenheit am Amtsgerichts Stuttgart zwischen der Klägerin und dem Streitverkündeten verschiedene Aktenzeichen der dortigen Mahnabteilung eine Rolle gespielt haben und dass auch am Amtsgericht Rostock in den Vollstreckungsangele...